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Ein ganz Großer, von dem noch heute geschwärmt wird

Hans Siemensmeyer, der heute 80 Jahre alt wird, zählt zu den ganz Großen in der langen Fußballhistorie von Hannover 96. Für viele ist der Bundesliga-Rekordtorschütze der kompletteste Profi, den die Roten jemals hatten. Ein Geburtstags-Porträt.

/ Klub, Profis
Verfolgt das Geschehen rund um 96 nach wie vor: Hans Siemensmeyer

Regelmäßig im Fitnessstudio
Feiern in Tagen wie diesen? Hans Siemensmeyer wird seinen 80. Geburtstag heute ganz entspannt und locker mit einigen Freunden bei einem Essen in seinem Lieblingsrestaurant begehen. "Natürlich werden wir dabei die Corona-Regeln beachten", sagt er schmunzelnd. Die Regeln zu befolgen ist für ihn, der immer noch dreimal in der Woche in einem Fitnessstudio ein kardiologisches Ausdauertraining macht, selbstverständlich. Es ist auch diese Disziplin, die ihn in seiner Karriere zu herausragenden Leistungen geführt hat. Es ist sein Thema. "Der Fußball in Coronazeiten bietet weniger Fouls und Hektik von den Rängen. Der Fußball ist dadurch disziplinierter geworden. Ich finde ihn daher gar nicht mal so schlecht", sagt Siemensmeyer.

"96 ist noch eine Wundertüte"
Siemensmeyer war auch nach seiner großen Zeit ein immer kritischer Begleiter von 96. Und natürlich verfolgt er das aktuelle Geschehen nach wie vor. "96 ist aktuell für mich eine Wundertüte, und ich hoffe, dass Trainer Kenan Kocak die neue Mannschaft zu einer Einheit formen kann, wie es ihm zum Ende der vergangenen Saison bereits gelungen ist", sagt Siemensmeyer: "Klappt das erneut, wird die Mannschaft sicher im oberen Drittel der Tabelle mitspielen, auch wenn ich sie nicht direkt als Aufstiegsfavorit sehe."

Junge aus dem Ruhrgebiet
Was viele heute nicht mehr wissen: Siemensmeyer ist in Oberhausen geboren und begann dort beim Stadtteilverein SV Osterfeld 06 seine Karriere. 1960 wechselte er zu Rot-Weiß Oberhausen, wo bereits sein älterer Bruder Heinz (heute 87 Jahre) spielte, in die Regionalliga West. Dort machte Siemensmeyer fußballerisch schnell auf sich aufmerksam. 1964 wollten ihn die Bundesligisten MSV Duisburg, VfB Stuttgart und 1860 München verpflichten. "Meine Frau Doris und ich waren bereits in München und hatten uns schon eine Wohnung ausgesucht. Da mein Vertrag bei RWO aber noch ein Jahr lief, ließ man mich nicht ziehen", sagt er.

Geblieben ist dennoch etwas Nachhaltiges aus der Münchener Zeit: "Bei 1860 lernte ich Trainer Max Merkel kennen, der mir Folgendes sagte: 'Jeder Spieler hat das Recht, schlecht zu spielen. Aber kein Spieler darf die Frechheit besitzen, nicht zu kämpfen". Das habe ich nie vergessen."

Herrenbesuch im Elternhaus
Im Grunde ist es also RW Oberhausen zu verdanken, dass Siemensmeyer 1965 zu Hannover 96 wechselte. "Ich kann mich noch genau an den ersten Kontakt zu 96 im Februar 1965 erinnern", erzählt er. "Wir wohnten in einer Bergarbeitersiedlung. Ich war beim Autowaschen, als auf der Straße ein Auto mit hannoverschem Kennzeichen langsam an mir vorbeifuhr, wendete, dann bei meinen Eltern vor der Tür hielt und zwei Herren bei uns klingelten. Ich versteckte mich, bevor mich meine Mutter rief und sagte: 'Hans, hier sind Leute von Hannover 96, die dich sprechen möchten.'"

Bundesligadebüt mit Tor
Die zwei "Herren", das waren Rolf Roeschlau und Friedel Schicks, die mit folgender Botschaft kamen: Trainer Helmut "Fiffi" Kronsbein will unbedingt diesen jungen Hans Siemensmeyer bei 96 spielen sehen. Siemensmeyer wusste, dass Kronsbein aus dem Westen bereits Walter Rodekamp, Otto Laszig und Horst Podlasly nach Hannover geholt hatte und sagte nach zwei weiteren Treffen bei 96 zu. Am 4. September 1965 gab er gegen Eintracht Frankfurt sein Bundesligadebüt für die Roten. Den Führungstreffer beim 4:1-Sieg erzielte … genau: der Neue aus Oberhausen.

Kopf, Kapitän und Seele des Teams
In Hannover entwickelte sich Hans Siemensmeyer durch seinen unermüdlichen Einsatz zum Musterprofi von 96. Gleich in seiner ersten Bundesligasaison erzielte er in 30 Spielen 15 Tore. "Ich habe stets gekämpft und alles auf dem Platz gegeben", sagt Siemensmeyer heute. "Ich hätte auch meine Verwandten auf dem Platz umgegrätscht, wenn es nötig gewesen wäre." Zeitzeugen beschreiben den gelernten Halbstürmer als den wohl komplettesten Fußballer, den 96 je in seinen Reihen hatte. Von 1965 bis 1974 war er Kopf, Kapitän und Seele der Mannschaft. In seinen 278 Bundesligaspielen für 96 erzielte er 72 Tore - so viele wie kein anderer bisher. Siemensmeyer ist damit noch heute der Bundesliga-Rekordtorschütze der Roten, ein Titel, den ihm wohl so schnell niemand streitig machen wird. Dieter Schatzschneider übrigens traf zwar wesentlich öfter, erzielte die meisten seiner 134 Tore für Hannover 96 aber in der 2. Liga.

Aufstieg zum Nationalspieler
Als ballgewandter, offensiver Mittelfeldspieler, der stets die Fäden in der Hand hielt und auch keinen Zweikampf scheute, avancierte Siemensmeyer fast zwangsläufig zum DFB-Nationalspieler. Unter Bundestrainer Helmut Schön debütierte er am 27. September 1967 im Testspiel gegen Frankreich in Berlin und glänzte beim 5:1-Erfolg gleich mit einem Doppelpack. Nach zwei weiteren Einsätzen im Nationaltrikot gegen Jugoslawien (3:1) und in Rumänien (0:1) wurde der 96-Kapitän allerdings nicht mehr berücksichtigt. Warum, blieb für Experten rätselhaft, zumal die Leistungen von Siemensmeyer erstklassig blieben. 1970 unter 96-Trainer Hans Pilz, den er als besten Trainer seiner Laufbahn bezeichnet, wurde er zum Mittelstürmer umgeschult und verpasste die Berufung in den WM-Kader für Mexiko nur ganz knapp.

Frau Doris als Stütze
"Talent alleine reicht nicht. Man muss auch etwas mit seinem Talent anzufangen wissen, ehrgeizig sein, an Schwächen arbeiten und die Stärken verbessern." Das war Siemensmeyers Lebensmotto. Er selbst hatte dabei das Glück, einen besonderen Menschen an seiner Seite zu haben. "Meine Frau Doris hatte in all den Jahren einen unheimlich positiven Einfluss auf mich. Sie sorgte mit Ihren Kochkünsten für gesunde Ernährung und war mir immer eine wichtige Stütze. Bei einer fast halbjährigen Verletzung am Oberschenkel 1969, als ich bereits aufhören wollte, hat sie mich ermuntert, weiterzumachen."

"Der blonde Hans"
Kaum ein Spieler von Hannover 96 hat in seiner Zeit eine so große Popularität genossen wie Siemensmeyer, den die Fans liebevoll den "blonden Hans" nannten, eine Anspielung auf den großen Schauspieler Hans Albers. Wenn er an legendäre Spiele denkt, fallen ihm zuerst die drei Duelle im europäischen Messepokal gegen den FC Barcelona 1966 ein; "Barca" erreichte erst nach Losentscheid die nächste Runde. Auch die Rettung am letzten Bundesligaspieltag im Juni 1973 ist für ihn unvergessen, als 96 dank eines 4:0-Sieges in Wuppertal im Fernduell an Eintracht Braunschweig vorbeizog und in der Bundesliga blieb.

"Wenn ich heute die TV-Berichte vom Spiel sehe, das als Wunder von Wuppertal in die Geschichte von 96 einging, bekomme ich noch immer Gänsehaut. Das war ein unbeschreibliches Spiel", sagt er heute. "Wir hatten am Tag zuvor schon unsere Zweitliga-Verträge unterschrieben. Die haben wir nach dem Spiel freudestrahlend zerrissen."

Comeback als Trainer
Nach dem Ende seiner Spielerlaufbahn heuerte Siemensmeyer beim TSV Havelse als Trainer an und führte den Klub innerhalb von zehn Jahren bis in die 3. Liga. 1984 kehrte er zu Hannover 96 zurück und übernahm die Trainerarbeit bei den A-Junioren. Er förderte zahlreiche Spieler wie André Breitenreiter, Detlev Dammeier, Martin Groth oder Niclas Weiland, die zu Bundesligaprofis heranreiften. Vier Jahre später hatte ihn die Bundesliga dann plötzlich wieder.

Er hatte 1987 den erkrankten Trainer Jürgen Wähling bei zwei Spielen gegen Werder Bremen und Schalke 04 bereits vertreten, bevor der gelernte Elektriker am 19. September 1988 noch einmal für ein halbes Jahr als Bundesliga-Trainer im Rampenlicht stand. Hans Siemensmeyer übergab nach 14 Spielen sein Team als Tabellensechzehnter im März 1989 an seinen Nachfolger Reinhard Saftig, unter dem 96 dann aber aus der Bundesliga abstieg.

WM-Botschafter 2006
Hans Siemensmeyer ist längst ein echter Hannoveraner, heimisch geworden in der Region, wo er die Glanzzeiten seiner Karriere erlebte und heute im heimischen Arnum seinen 80. Geburtstag feiert. Bei der WM 2006 war er offizieller Botschafter des WM-Spielorts Hannover, im Januar wurde ihm bei der alljährlichen Sportlergala der Neuen Presse der Preis für sein Lebenswerk überreicht. "Im Vergleich zu seinem Zweikampfverhalten war Altin Lala ein Balletttänzer", sagte Ministerpräsident und 96-Fan Stephan Weil in seiner Laudatio, vom Publikum gab es langanhaltende, stehende Ovationen. Zu Recht.
kös/hr

Wir gratulieren Hans Siemensmeyer ganz herzlich zum 80. Geburtstag!

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