NIEMALSALLEIN

Kaffee kochen und Altpapier wegbringen. So stellt man sich in der Regel das Leben eines Praktikanten vor. In der Redaktion von Hannover 96 sieht das anders aus. Hier findet Ihr einen kleinen Ausschnitt aus unserer täglichen Arbeit, die oftmals Überraschungen parat hält.

 

Von Eric Zimmer

Typisch Deutschland!
Es ist Dienstagmittag. Um 13:30 Uhr haben wir einen Termin in der BBS Duderstadt. Wir sind spät dran, aber wenn wir die 140 Kilometer reibungsfrei zurücklegen können, sollte es keine Probleme geben. Mit dabei: Chavdar Yankov, der nach monatelanger Leidenszeit auf dem Weg zum Comeback ist. Er ist lässig gekleidet, grinst und freut sich über das schöne Wetter. Wir fahren durch das Verkehrsgewühl von Hannover in Richtung Autobahn -  dort angekommen, zählt nur noch eins: Gaspedal drücken, um Zeit gut zu machen. Denkste! Nach 20 Kilometern sehen wir, wie die Autos vor uns den Warnblinker anstellen und so rollen wir langsam aber sicher aus. Herzlichen Glückwunsch! Stau. Hektische Telefonate beginnen, das Navi glüht bei der Suche nach einem Umweg. Nichts zu machen. Chavdar nimmt es locker: „Typisch Deutschland. Wenn es geht, darfst du 300 fahren – oder du stehst 10 Km im Stau. Das ist echt komisch.“

Krücken sind wie Fesseln
Und was jetzt? Man sollte die Zeit sinnvoll nutzen. Das ist das Erste, was ich als Nachwuchsjournalist gelernt habe. Chavdar sitzt vor mir – ich überlege. Mich interessiert schon, wie ein Profi mit seiner Verletzung umgeht, wie er sich fühlt, wie seine Behandlung aussieht. Als Kreisklassen-Kicker kenne ich nur Füße hoch, ab und an zum Doc und dazwischen eine Tüte Chips zur Frustbewältigung. Okay, wir dürfen das. Aber Chavdar? Bestimmt nicht!

Wir kommen ins Gespräch. „Chak“ erzählt mir die Geschichte seiner Knieverletzung, spricht von seiner OP und der Zeit danach. Fast zwei Monate ging er an Krücken. Das ist wohl das härteste, was einem Vollblut-Kicker passieren kann. „Du kannst nicht gehen und eigentlich auch sonst nichts machen. Dazu diese Schiene am Bein - jeden Tag sieben Stunden lang. Das ist alles andere als schön. Als ich die Dinger endlich wegschmeißen konnte, war ich fast ein neuer Mensch.“ Nebenbei sind wir etwas vorangekommen. Vorne liegt ein LKW quer. Es ist niemandem etwas passiert, aber irgendwie erkennt man ein typisches Bild: 20 Mann in Uniform sitzen da und gucken. „Chak“ schmunzelt nur.
Ich frage ihn, wie sehr es ihn belastet, der Mannschaft nicht mehr helfen zu können. Man darf auch nicht vergessen, dass er vor der Saison fest von Hannover 96 verpflichtet wurde, denn zuvor spielte er zwei Jahre auf Leihbasis. Da wird der Druck sicher nicht geringer. „Ja, was soll ich machen. Draußen sitzen ist ein sehr schlechtes Gefühl. Es war halt Pech, dass das alles auf einmal passieren musste. Ich kann Hannover nächstes Jahr zeigen, dass die Entscheidung richtig war. Ich werde voll angreifen.“ Hilfe gab es zu dieser Zeit vor allem von seiner Freundin Manuela, die ihm tatkräftig zur Seite stand. „Wenn du jemanden bei dir hast, dann ist alles einfacher. Es war schon schön“, freut sich „Chak“. Langsam aber sicher ging es voran mit ihm.

Mit uns auch, denn jetzt kann wieder Vollgas gegeben werden. Ich gucke lieber nicht auf den Tacho… Nach zwei Monaten zu Hause startete er endlich sein Reha-Programm in den Katakomben der AWD-Arena. „Wir machen richtig viel. Kraft und Kondition müssen wieder her, dazu gehe ich viel in die Sauna. Ja – und dann sind da halt noch immer diese Spritzen. Mitten ins Knie, damit alles gut verheilt.“ Na klasse! Ich bleibe lieber bei meiner Kreisklassen – Chips – Therapie.
Anfang April hat er sein Zwischenziel erreicht: Da lief er mit breitem Grinsen und unter dem Applaus seiner Kollegen auf dem Trainingsplatz der Mehrkampfanlage auf. „Ein Supergefühl!“

Wir sind auch angekommen.  Beim Termin in der BBS Duderstadt. Nach einer guten Stunde geht es heimwärts nach Hannover. Vorab: Die Bahn ist diesmal frei.

Bratwurst ade!
Ich habe einen riesigen Kohldampf. „Chak“ hat auch den ganzen Tag nichts gegessen, aber er will auch gar nicht. „Ich habe schon etwas zugelegt. Das ist ja vollkommen normal. Das muss jetzt alles wieder weg!“ Und das, wo er für sein Leben gern Bratwurst ist. „Die ist jetzt nicht drin“, meint er kämpferisch.

Wir kommen in Hannover an. Chaos auf der Straße, im Auto neben uns flucht unser Stadion-Sprecher Till Uhlig. Als er uns erkennt, weicht seine Wut einem gequälten Lächeln. Das huscht auch über Chaks Gesicht, als wir am Maschsee-Ufer entlang fahren. „Meine Güte! Um das Ding bin ich 100 Mal herumgelaufen. Ich will endlich einen Ball haben. Ich habe keine Ahnung mehr, wie der aussieht.“ Hätten wir einen dabei gehabt, dann hätte er ihn bestimmt über den See in die dahinter gelegene AWD-Arena gejagt.
Wir sind da, die Pförtner öffnen die Schranke zum Parkplatz. Eine wirre Fahrt.
“Chak“ ist auch bald wieder da. Der Stau löst sich auch bei ihm und er beschleunigt wieder auf seine 300, damit er nächste Saison zeigen kann, was er drauf hat. „Auch wenn das alles eine Katastrophe war, so nehme ich dennoch Positives mit. Ich konnte viel nachdenken und die Erfahrung hat mich noch stärker gemacht.“

Bei 96 ist man sich da ebenfalls sicher. Ich wünsche „Chak“ alles Gute und eine erfolgreiche Saison 08/09!

Foto: zur Nieden

 

 

NEWSCENTER
Engagement
RSS Feed
Fanartikel
Business
Arena
Datenschutz
Kontakt
Medien
Sitemap
Tickets
Navigation
Schließen