NIEMALSALLEIN

 

Von Elke Rutschmann

«Stuttgart.» Optisch ist Jan Simak noch immer eine auffällige Erscheinung. Die schulterlangen Haare zieren blonde Strähnchen und werden von einem Haarreif gebändigt, an Beinen und Armen trägt er Tätowierungen und ist damit vor allem ein begehrtes Ziel bei den weiblichen Fans des VfB Stuttgart. Mit großen Augen beschreibt der fast 30-Jährige seine neuen Erfahrungen im Bundesligaland, in dem er seine Karriere endlich auf einen richtigen Weg bringen will. Er staunt über die schönen Stadien, die tolle Stimmung auf den Rängen. „Es wird mehr Fußball gespielt als in der 2. Liga, nicht so oft gefoult. Das ist schön“, sagt Jan Simak, dessen Name in Hannover immer noch einen Zauberklang hat. Sonntag spielt er mit seinem VfB – gegen 96.

Fünf Jahre hat der Tscheche eine unfreiwillige Auszeit aus der Beletage des deutschen Fußballs genommen. 2000 hatte die Geschichte des Wunderkinds in der 2. Liga bei 96 begonnen. Nach zwei wunderbaren Jahren, als er in 58 Spielen 27 Treffer erzielte, wechselte der hochbegabte Kreativspieler zu Bayer Leverkusen, um dort den neuen Michael Ballack zu geben. Dann verirrte er sich in einer dunklen Welt aus Prügeleien, Alkohol, Depressionen und falschen Freunden. Der Mann, der das Spiel besser beherrschte als viele andere, verlor sein Selbstwertgefühl und den Halt im Leben. Mit 24 Jahren kam der Absturz.

2003 litt Simak an einem Erschöpfungssyndrom, floh – inzwischen wieder ausgeliehen an 96 – zurück in die Heimat und suchte Schutz. Nach einer Entziehungskur und einem erfolgreichen Gastspiel bei Carl Zeiss Jena verpflichtete der VfB Simak für 400 000 Euro als neue Hoffnung für das Mittelfeld. „Bislang hat er eine Disziplin gezeigt, die ich mir von allen Spielern wünsche“, sagt Trainer Armin Veh. Nach zwei Bundesligaspielen fällt es jedoch schwer einzuordnen, für was der neue Simak tatsächlich steht. In Mönchengladbach gefiel er beim 3:1-Sieg zweimal als kompetenter Vorbereiter. Bei der 0:2-Pleite gegen Leverkusen schien Simak plötzlich zu langsam für höhere Aufgaben, spielte zahlreiche Fehlpässe und war nicht in der Lage, das Tempo zu variieren. „Man muss Geduld haben, und die haben wir mit Jan auch“, sagt Sportdirektor Horst Heldt: „Wer seine Vergangenheit kennt, der weiß, dass er im Moment nicht vor Selbstvertrauen strotzt.“ Jemand, der einmal an der Seele verletzt war, braucht eine besondere Zuwendung, die er von Armin Veh auch bekommt. „Ich brauche noch ein bisschen Zeit, um mich im Training und Spiel noch besser auf meine Mitspieler einstellen zu können. Das Zusammenspiel kann noch viel besser werden“, sagt Simak.

Beim 4:1 des VfB in Györ im UEFA-Cup hatte Armin Veh zuletzt auf Simak verzichtet und Yildiray Bastürk eine Chance gegeben. Diese hat der Türke wieder einmal nicht genutzt, sodass Simak auf ein Duell gegen die ehemaligen Kollegen hoffen darf. „Ich freue mich auf Spieler wie Altin Lala oder Steve Cherundolo, mit denen ich damals in die Bundesliga aufgestiegen bin. Es wird ein schönes Wiedersehen“, sagt er.

In der Simak-Ära in Hannover hieß der Trainer damals Ralf Rangnick. Und der muss auch heute nicht lange nachdenken, wenn er die Qualitäten des Regisseurs beschreibt. „Er ist der beste Spieler, den ich je betreut habe. Er konnte alles – außer Kopfball“, sagt der heutige Trainer von 1899 Hoffenheim. Rangnick freut sich über die Bundesligarückkehr Simaks, hält aber nichts von Vergleichen mit der Vergangenheit. „Schön ist, dass Jan sein Leben wieder im Griff hat. Das ist viel wichtiger einzustufen als die Frage, wie viel Prozent ihm noch zu seiner früheren Form fehlen“, sagt Rangnick.

Privat hat der Mann mit der Nummer 8 sein Glück mit seiner Lebensgefährtin Michaela und dem 20 Monate alten Sohn Jan gefunden. Sie wohnen im Remstal mit Blick auf die Weinberge. Ruhe sucht und findet Simak beim Angeln. Es scheint alles gerichtet für einen neuen Anfang, und auch Mario Gomez schwärmt von den Qualitäten Simaks: „Er ist so was von lieb und nett, und ich glaube, dass ich persönlich noch sehr von ihm profitieren werden.“ 96-Trainer Dieter Hecking sagt: „Er hat nicht viel verloren von seinen Qualitäten. Leider hat er sich vor der Saison gegen uns entschieden.“ Eine Sonderbewachung aber, da hat sich Hecking festgelegt, bekommt Simak am Sonntag nicht.

 

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