NIEMALSALLEIN

Husztis Kunstkick lässt Hannover jubeln: 96 hat sich auf alte Tugenden besonnen und ein bisschen neu erfunden

 

„Man kann nur wünschen, dass bald die Erfolge kommen.“ Keine Überraschung, diesen Satz nach dem Spiel der Fußball-Bundesligisten Hannover 96 und Bayern München zu hören. Aber wer hätte vor der 23. Minute dieses Spiels am Sonnabend schon darauf gewettet, dass Dieter Hecking die tröstenden Worte nicht an seine Truppe, sondern die Bayern richtet? Doch 96 bedarf des milden Zuspruchs nicht. Die „Roten“ haben die Bundesliga an diesem Wochenende mit einem hart erarbeiteten und zugleich hoch verdienten 1:0-Sieg, dem ersten Heimsieg gegen den Rekordmeister nach 20 Jahren, um eine Sensation bereichert. Weniger spektakulär als das 5:4 von Werder Bremen gegen 1899 Hoffenheim, wohl aber mit größeren Nachwirkungen: Alle Fußball-Welt guckt nach Hannover, weil die grandiosen Bayern hier grandios gescheitert sind und sich Heckings Trost redlich verdient haben. „Die Bayern haben Klasse“, fuhr Hecking also fort, „die tun der Liga wirklich gut. Man kann nur hoffen, dass sie in der Champions League die deutsche Fahne lange hochhalten.“
Wunderbare, verkehrte Welt, Streicheleinheiten für die Gestrauchelten. Planlos und zahnlos stolzierten die Bayern durch die AWD-Arena. Ein „weißes Ballett“ mit Blei in den Beinen, und die Primaballerina – Franck Ribery – ebenso auf der Bank wie die Vortänzer Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski. Dort sahen die Stars, wie die Stellvertreter durch ihren Stärksten, Verteidiger Martin Demichelis, eigentlich schon früh hätten in Führung gehen müssen. Wie sie auch nach der vergebenen Chance weiter Spiel und Gegner kontrollierten. Doch dann plötzlich …
Fast schien es so, als hätten die „Roten“ die Tarnkappe aufgesetzt oder das Münchener Abwehrradar unterflogen, als sie unversehens in Schlagdistanz kamen: Mark van Bommel musste Szabolcs Huszti 20 Meter vom Tor entfernt durch ein Foul stoppen. Und den fälligen Freistoß halbrechts vor dem „16er“ führte der Ungar selbst aus. Gnadenlos gut legte er den Ball in die Kurve, herum um die Vier-Mann-Mauer mit Philipp Lahm, Ernesto Sosa, Luca Toni und Miroslav Klose und unerreichbar für den Münchener Schlussmann Michael Rensing. Ein Kunstkick in den „Knick“. Marke Traumtor. Huszti und Hannover haben eine weitere Nominierung beim „Tor der Woche“ oder dem „Tor des Monats“ so gut wie sicher.
Aber das ist nur Deko. Was bleibt, sind die drei Punkte und eine Erkenntnis: Ein brillanter Konter, ein starker Standard oder einfach der legendäre Dusel reichen den Gästen oft, um ein Spiel zu drehen. Aber eben nicht immer. Zwar kam mit Ribery noch einmal etwas mehr Bewegung ins Bayern-Spiel. Doch gerade die Verteidigung gegen diesen Angstgegner zeigte, dass sich 96 an einem herrlichen Altweibersommertag auch ein kleines bisschen neu erfunden oder einfach nur auf unverzichtbare alte Tugenden besonnen hat. „Einsatz, Kampf, Leidenschaft“, das attestierte Hecking seinem Team. „Es kommt nicht oft vor, dass eine Mannschaft gegen die Münchener nur zwei, drei Torchancen zulässt.“ Ein großes Lob für die Abwehr um den erst am Morgen vor dem Spiel Vater gewordenen Frank Fahrenhorst. „Die ganze Mannschaft hat in der Defensive gut gearbeitet. Aber spielerisch müssen wir ganz klar zulegen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Konter besser abschließen“, meinte Hecking.
Also ein bisschen Euphorie-Bremse. Aber auch Stolz. „Ich habe nichts zu feiern“, sagte Hecking cool, schob dann aber nach: „Ich schweige – und genieße.“

Von Volker Wiedersheim

 

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