Stephanie Schünemann von STEP: „Wir müssen umdenken und aufhören, süchtige Menschen zu verurteilen.“ W er süchtig ist, gilt als schwach und undiszipliniert. Wer süchtig ist, ist ein Versager. „Solche oder so ähnliche Ge- danken kommen den Menschen, wenn sie einer suchtmittelabhängigen Person begegnen“, erzählt Stephanie Schüne- mann, die seit über zehn Jahren bei STEP arbeitet, einem der größten Sucht- und Jugendhilfeträger Norddeutsch- lands. „Die Menschen nehmen Abstand, schauen weg und grenzen aus.“ Viel- leicht belehren sie aber auch oder setzen unter Druck: „Wenn du nicht aufhörst, dann ...“ Hilfe in Anspruch zu nehmen ist aber gar nicht so einfach. Dabei ist die Aussicht, Probleme im Zusammen- hang mit Abhängigkeiten in den Griff zu bekommen, sehr, sehr gut. SÜCHTE KÖNNEN JEDEN TREFFEN Laut Statistik gibt es in Deutschland etwa 300.000 Drogensüchtige. Men- schen, die von vielen abschätzig als „Junkie“ bezeichnet werden – ein Wort, das sich aus dem englischen Wort „junk“ ableitet. „Übersetzt bedeutet das Müll“, sagt Stephanie Schünemann. „So möchte wohl niemand bezeichnet werden.“ Neben den Drogensüchtigen gebe es jedoch noch viele weitere Sucht- mittelabhängige, zum Beispiel rund 1,7 Millionen Menschen, die alkoholab- hängig sind und 4,2 Millionen, die nicht ohne Tabak leben können. Dazu kom- men Abhängigkeiten, über die selten gesprochen wird, wie die 1,5 Millionen Menschen, die süchtig nach Medika- menten sind (darunter auch viele ältere Menschen), 220.000 pathologische Glücksspielende, und vier Millionen Kaufsuchtgefährdete. „Viele dieser Men- schen sind mit ihrer Sucht ganz allein, weil sie sich so sehr schämen, dass sie Angst haben, sich Hilfe zu suchen.“ Ein Zustand, an dem sich dringend etwas ändern muss, wenn es nach Stephanie Schünemann geht. BEI STEP FINDEN SÜCHTIGE HILFE Stephanie Schünemann setzt sich schon seit vielen Jahren für Suchtkranke ein. „Menschen mit Suchtproblemen können bei STEP vielfältige Hilfen in Anspruch nehmen. Der erste Weg führt meistens über eine unserer Beratungsstellen. Bei uns finden Betroffene, aber auch Angehörige oder Freunde, ein offenes Ohr bei Sorgen und Problemen. Was uns besonders wichtig ist: immer streng vertraulich und erst mal anonym und kostenlos“, erklärt Schünemann. „Wir setzen uns zusammen an einen Tisch, hören zu und helfen, wo wir kön- nen.“ Ohne zu verurteilen, ohne Vorträ- ge zu halten. „Jeder Mensch ist für sein Leben verantwortlich. Das respektieren und achten wir“, erklärt Stephanie Schü- nemann weiter. „Wir helfen, wenn un- sere Hilfe gewünscht ist. Und die sieht nun mal bei jedem anders aus.“ Dem einen hilft schon eine saubere Spritze weiter, der andere benötigt Unterstüt- zung bei der Arbeit oder im Kampf gegen die Vereinsamung. Der Nächste hat Angst, dass das Kind suchtkrank sein könnte oder möchte einfach nur wissen, wie man aufklären soll, zum Beispiel in der Schule. „Wir vermitteln aber natür- lich auch in eine Therapie weiter und kümmern uns um die Kostenübernah- me. Ohne Scham und Angst notwendige Hilfe in Anspruch nehmen zu können – das wäre doch wunderbar“, wünscht sich Schünemann zum Thema Umdenken. Die STEP hilft, neue Wege zu gehen. 28 KOPFSACHE