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96-Sportdirektor Schmadte droht seit Wochen mit einem Exempel - aber es gibt kaum geeignete Kandidaten

 

Hannover. Ausdrücklich erwähnt hat er's nicht. Aber die Botschaft ist auch zwischen den Zeilen deutlich rübergekommen. Seit sich 96-Sportdirektor Jörg Schmadtke zwecks Nachbereitung der Hertha-Pleite das Team zur Brust genommen hat, spielen die "Roten" Interview-Mikado: Wer zuerst den Mund aufmacht, verliert. Schade. Es gibt doch so viele Fragen. An Jörg Schmadtke zum Beispiel. Der kündigt seit Wochen an, mit dem Reden habe Schluss zu sein, Zeit sei es zu handeln: "Wer nicht mitzieht, der muss aussortiert werden", sagte der Manager im Interview dieser Zeitung zuletzt. Aber wahr gemacht hat er die seit Wochen vorgebrachte Dauerdrohung doch nicht. Sagt er das nur so, oder kommt da noch was? Jan Schlaudraff müsste es wissen. Der ist seinerzeit bei der Alemannia Aachen im Abstiegskampf aussortiert worden, weil er, so der ungefähre Vorwurf, nicht voll mitgezogen habe. Sportdirektor damals am Tivoli – richtig: Schmadtke. Ob es Schlaudraff nun erneut treffen könnte? Er war einigermaßen überraschend beim 0:3 gegen Hertha BSC Berlin nur Ersatz und nur ungeplant zum frühen Einsatz gekommen, weil sich Didier Ya Konan heftig verletzt hatte. Aber eben dieser Ausfall verbietet nun, überhaupt einen Stürmer aus der Profi-Elf zur Reserve ins Eilenriedestadion zu schicken. Zudem ist Schlaudraff der bisher letzte erfolgreiche Torschütze: kein Sieg, aber immerhin zwei Treffer gegen den VfL Bochum. Zwei Treffer hat zuletzt nur Karim Haggui erzielt. Aber der zählt nicht. Der ist Verteidiger und hat sich mit dem nächstbesten Tor (dem eigenen) zufriedengegeben. Also: An wen denkt Schmadtke, wenn er davon redet, ein Exempel zu statuieren? Ya Konan ausgefallen, Schlaudraff torgefährlich, Stajner – nein, das wäre ein Tabubruch. Selbst den bemitleidenswert formschwachen Mike Hanke kann es kaum treffen, denn dann blieben nur zwei Stürmer und kein Auswechselspieler. Ob Schmadtke über Arnold Bruggink nachdenkt? Man kennt es von anderen Vereinen: Den Kapitän zu entmachten, ist ein starkes, aufrüttelndes Signal. Zudem steht dessen sportliche Leistung zu Recht in der Kritik. Doch auch bei ihm ist die Verbannung zur Verbesserung der Spielkultur kein Selbstläufer. Denn nach Schmadtkes Explosion im Kabinencontainer des 1. FC Union Berlin ("Betriebssport") war es beim Spiel gegen die Hertha Bruggink, der Trainer Andreas Bergmann die Gelegenheit für eine Brandrede an das Team raubte. Im ehrlichen Affekt giftete er die Kollegen an, die so viel Emotion schon längst nicht mehr investieren. Es scheint nicht klug zu sein, den aus dem Team zu nehmen, der als Letzter noch den Mund aufmacht. Zudem: Hanno Balitsch, der nach abgesessener Gelbsperre am Sonnabend gegen Mainz 05 wieder dabei sein sollte, könnte sich glatt solidarisieren und freiwillig zusammen mit dem Niederländer den Marsch in die Verbannung antreten. Balitsch – man erinnere sich an Dieter Hecking – hat auch den Weg schon im Navi gespeichert. Andere Kandidaten bieten sich für Schmadtkes Exempel im Mittelfeld der "Roten" auch kaum an, auch nicht Jan Rosenthal, der er erst mal wieder richtig fit werden muss, oder der aktuell einzige Distanzschütze Sergio Pinto. Zwar hat sich da keiner durch Leistung unentbehrlich gemacht. Aber irgendjemand muss ja auch spielen. Die Ersatzleute Valdet Rama – hoch gelobt und tief enttäuschend – oder Sofian Chahed aus dem Kader zu streichen, das wäre eine Alibimaßnahme. Bleibt die Riege der Verteidiger als Zielscheibe für Schmadtkes Zorn. Ausgenommen ist hier allerdings schon mal besagter Haggui, denn der kickt zurzeit noch beim Afrika-Cup. Raus ist auch Jan Durica, Schmadtkes Neuerwerbung, die er gar nicht schnell genug ins Spiel einbauen konnte. Christian Schulz muss man nicht verbannen, der ist ohnehin zunächst gesperrt (fünfmal Gelb) und wird hoffentlich danach wieder aufgestellt, wo er hingehört: in der Innenverteidigung. Das lässt sich fast beliebig so fortsetzen. Hannover 96 spielt zwar zurzeit im Kollektiv richtig schlecht. Aber einen Leistungsverweigerer, der den Rauswurf verdient hätte und dessen Beispiel die verbleibenden Mannschaftskollegen besser spielen ließe, haben die "Roten" gar nicht in ihren Reihen. Paradox: Schmadtke selbst hat dafür gesorgt, dass ihm für seinen Plan jetzt die Kandidaten fehlen. Auch seine Transfers haben keine Weltklassekicker nach Hannover gebracht, aber sie sind durch die Bank tauglicher als die, die seine Vorgänger verpflichtet haben. Mit etwas Distanz betrachtet, erweisen sich Schmadtkes Qualitäten doch eher beim Managen eines Kaders, denn beim Motivieren des Teams. Man sollte sich daran erinnern, wenn plötzlich bei der Suche nach einem Interimstrainer alles auf ihn selbst zuzulaufen scheint.

 

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