NIEMALSALLEIN

 

Vila Nova de Cacela.»

„Es gehört auch dazu, wenn man mal keine Lust hat, sich an die Regeln zu halten“, sagt Dieter Hecking. Dieter Hecking? Es kommt nicht allzu häufig vor, dass der Trainer von Hannover 96 ins Plaudern gerät, nicht selten sind die Fragen länger als seine Antworten. Doch an diesem Tag war es anders. Vielleicht lag es an der entspannten Atmosphäre im Robinson Club, vielleicht war er mit den Fortschritten seines Teams besonders zufrieden, oder es war lediglich der richtige Zeitpunkt.

Wie auch immer, das Standardprogramm der täglichen Fragestunde im Trainingslager in Portugal war bereits abgearbeitet (Wie geht’s dem Rücken von Vinicius? Wann haben die Spieler einen freien Nachmittag?), als Hecking über die Betreuung der Profis redete. „Die wichtigste Geschichte für mich ist, dass man mit den Spielern, die auf dem Weg zum Profi sind, sehr professionell und gezielt arbeiten muss“, sagte der 44-Jährige. Auch außerhalb des Platzes? „Ja“, sagte Hecking und gab dann Einblicke in seine Gedankenwelt abseits von Abseits, Toren und Ergebnissen.

Die Ansichten eines Trainers. Und diesmal umgekehrt: kurze Fragen, lange Antworten. «Geht es den Profis in der heutigen Zeit gut? Vielleicht zu gut? »Die Profis haben heutzutage so viel Zeit. Ich bin ein Verfechter davon, die Spieler immer wieder zu animieren, auch außerhalb des Fußballs an ihrer persönlichen Entwicklung zu arbeiten. Wenn ich sehe, was den Spielern alles abgenommen wird, dann sollte man das mal kritisch hinterfragen. Weil man ihnen so auch viel Selbstverantwortung wegnimmt, die man andererseits auf dem Spielfeld von ihnen verlangt. Wenn ich höre, dass Bastian Schulz (96-Mittelfeldspieler, d. Red.) nebenbei Spanisch lernt, dann finde ich das prima. Ich begrüße es immer, wenn ein Spieler seinen Horizont erweitert, weil er so auch mal weg ist vom Fußball.

«Die Spieler sind heute fast alle kleine oder große Stars und stehen permanent im Fokus der Öffentlichkeit, selbst jetzt fernab von Hannover in Portugal. Sie dagegen hätten »« während Ihrer Zeit als Profi auch mal über die Stränge schlagen können, ohne dass es gleich am nächsten Tag in der Zeitung »« gestanden hätte … »Es ist schade, dass die Spieler das heute nicht mehr können, denn auch das gehört zur Entwicklung einer Mannschaft mit dazu. Wenn wir früher etwas außerhalb der Norm gemacht haben, dann hatten wir zwar ein schlechtes Gewissen, aber wir waren sehr kreativ, um nicht aufzufliegen. Da waren wir mit sieben, acht Spielern unterwegs und uns einig, dass nichts rauskommt. Das hat zusammengeschweißt – und super geklappt. Es gab auch hin und wieder sogenannte Kabinenfeste. Da stand dann eine Kiste Bier in der Mitte, und man hat sich hingesetzt. In dieser einen Stunde haben wir viel besprochen und auch unsere internen Spannungen geregelt. Da verlieren die Profis heute etwas, was uns damals richtig gut getan hat. Und das ist tatsächlich noch gar nicht allzu lange her.

«Damals spielte Geld auch noch nicht so eine große Rolle. »Als ich von Borussia Lippstadt nach Paderborn in die damalige Jugend-Westfalenliga gewechselt bin, hat man mir als Angebot ein Butterbrot hingelegt: Und ich Idiot habe auch noch zugebissen. Damals ging es in erster Linie darum, sich sportlich weiterzuentwickeln. Ich würde jedem Spieler wünschen, so etwas zu erleben. Weil da automatisch Teamgeist aufkommt, da braucht man nicht über teambildende Maßnahmen zu reden. Die gab es, indem wir auch mal aus dem Trainingslager ausgebüxt sind. Franz Gerber hat mich auch einmal erwischt, beim Hallen-Masters. Das war ein teurer Spaß, ich musste 1000 Mark Strafe zahlen. Es gehört auch dazu, wenn man mal keine Lust hat, sich an die Regeln zu halten. Aber man muss auch dafür einstehen, wenn man erwischt wird.

«Andere Profis haben damals bestimmt »« häufiger über die Stränge geschlagen. »Ich habe mal mit Norbert Nachtweih auf einem Zimmer gelegen, als wir bei Waldhof Mannheim gespielt haben. Das war ein Highlight für mich. Was ich dem an Bauernschläue abgucken konnte, eine bessere Schule konnte es gar nicht geben. Aber der Junge stand jeden Morgen beim Training pünktlich auf dem Platz und hat Gas gegeben. Er hat allen gezeigt: Wer Spaß haben kann, der arbeitet auch vernünftig. Dadurch wächst auch etwas zusammen. Und wenn einer außen vor war, dann haben wir uns den mit vier, fünf Leuten gepackt und ihm den richtigen Weg gezeigt.

«Viele Veränderungen, viel geht verloren. Ist das nur ein Problem im Fußball oder auch in der Gesellschaft? »Durch meine fünf Kinder im Alter zwischen 7 und 22 Jahren kann ich da einen Vergleich ziehen. Wenn ich sehe, wie oft meine ältesten Mädchen früher auf der Straße rumgetobt sind und das mit meinen Jungs vergleiche, die im Computerzeitalter groß geworden sind, dann hat sich da viel verändert. Ich war ja schon froh, dass die Jungs, als die Teiche zugefroren waren, ihre Eishockeyschläger rausgeholt haben. Es verschiebt sich viel, vieles geht einfach unter. Ich mag zum Beispiel die Adventszeit mit den langen Abenden sehr gerne, auch weil man da mehr Zeit für die Kinder hat. Anfang Dezember haben meine Frau und ich überrascht festgestellt, dass wir immer noch gar keinen Adventskranz haben. Am 2. Advent hatten wir dann einen.

 

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