NIEMALSALLEIN

Um kurz vor Mitternacht stimmten im hannoverschen Hauptbahnhof die wenigen Fußballfans, die Hannover 96 auf die weite Reise nach Sinsheim begleiteten hatten, ein Lied an.

 

Ihr Zug war gerade angekommen, und als sie ausstiegen, sangen sie "Wir sind die Absteiger". Frust, Ironie, Galgenhumor? Wahrscheinlich war es etwas von allem nach einem Bundesligaspiel, das für 96 endete wie alle anderen auch in diesem Jahr: mit einer Niederlage. In diesem Fall mit einem 1:2 bei 1899 Hoffenheim, das bis dahin in der Rückrunde nicht ein einziges Tor geschossen hatte.

Doch wer in der Krise steckt, der kann sich auf Hannover 96 verlassen; als Aufbauhelfer für in Not geratene Klubs ist die Mannschaft spitze, nach Bochum, Berlin, Mainz und Nürnberg halfen die Hannoveraner nun auch Hoffenheim auf die Beine. Nur sich selbst hilft dieses rätselhafte Team einfach nicht. Nach der nächsten Niederlage und dem nächsten gescheiterten Versuch, endlich die überfällige Wende zu schaffen, gab es viel zu diskutieren, nur über eines nicht: Die zwölfte Saisonpleite ging in Ordnung, die beiden Trainer stuften den Hoffenheimer Erfolg als "hochverdient" (1899-Coach Ralf Rangnick) und "in jedem Fall verdient" (96-Coach Mirko Slomka) ein.

Vor allem in spielerischer und technischer Hinsicht trennte beide Teams mindestens eine Klasse. Ansonsten bot der wechselhafte Auftritt der "Roten" die gesamte Bandbreite der Interpretationsmöglichkeiten. 96 fing gut an, stand geordnet und vielbeinig in der Defensive und zwang die Gastgeber zu langen Bällen, was den Hoffenheimern behagt wie Autofahrern die Straßenglätte. Jiri Stajner hätte in der 25. Minute nach dem besten hannoverschen Angriff des Jahres 2010 über Jan Rosenthal und Elson das 1:0 erzielen können, nein, müssen.

Mannschaften in der Krise brauchen eine Führung, um sich an ihr wie an einer Stange wieder hinaufzuhangeln; genau das gelang zehn Minuten später Hoffenheim durch Carlos Eduardo. Anders als später der sehenswerte 96-Treffer von Arouna Koné zum 1:2 (57.) war dies kein Tor aus dem Nichts, denn bereits vorher hatte die hannoversche Elf ihr anderes Gesicht gezeigt und war vor allem auf beiden Außenpositionen mit jeder Minute in mehr Schwierigkeiten geraten. Auf der linken Abwehrseite düsten Eduardo und Andreas Beck an Konstantin Rausch und Jiri Stajner vorbei, als hätten die 96er noch nie etwas von deren Stärken gehört.

Rechts hinten bei 96 schien Sofian Chahed bereits nach vier Minuten vor einem konditionellen Schwächeanfall zu stehen, und Jan Rosenthals wirrer Auftritt ist mit Orientierungslosigkeit noch freundlich umschrieben. Dass Sergio Pinto nach seiner Einwechslung in der 2. Halbzeit als linker Außenverteidiger demonstrierte, dass er diese Position genauso beherrscht wie die des rechten Verteidigers, nämlich überhaupt nicht, machte das Chaos perfekt, das mit vier, fünf Hoffenheimer Treffern schlimm hätte bestraft werden können.

Mit so vielen Totalausfällen kann keine Mannschaft der Welt Spiele gewinnen, auch dann nicht, wenn sie plötzlich einen ausgezeichneten Stürmer wie Koné besitzt, der mit seiner Spielstärke und Dynamik wie ein Hoffenheimer wirkte, der ein rotes Trikot überziehen musste. Da reicht es auch nicht, dass 96 in Zweikämpfen wieder entschlossener auftritt, gute Phasen im Spiel hat und der Eindruck von Klubchef Martin Kind, dass die Mannschaft "lebt, kämpft und will", gar nicht falsch ist.

Kind gibt sich mit Blick auf die 13 noch ausstehenden Spiele unbeirrt zuversichtlich, wahrscheinlich zuversichtlicher, als er in Wahrheit ist. Aber es ist die richtige Taktik, auch wenn er weiß, dass sein ehemaliger Trainer Rangnick die Situation am besten auf den Punkt gebracht hat. Rangnick meinte Hoffenheim, hätte aber genauso von 96 sprechen können, als er sagte: "Es gibt keinen Ersatz für Erfolg."

 

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