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Der Meistertitel, die Entwicklung der MLS und die Arbeit mit Bale & Co.

Vor wenigen Wochen kürte sich der ehemalige 96-Kapitän Steven Cherundolo als Cheftrainer mit dem MLS-Klub LAFC zum US-amerikanischen Fußballmeister. Wir haben das Ganze mit "Dolo" noch einmal Revue passieren lassen und mit ihm im ersten Teil des großen Interviews über den Klub, den Titel und den Job als Trainer gesprochen.

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Steven Cherundolo ist seit Januar 2022 Trainer des LAFC. (Foto: IMAGO/USA TODAY)

"Dolo", wie fühlst Du Dich als Meistertrainer?

Steven Cherundolo (43): Ein bisschen ungewohnt ist es schon noch (lacht). Aber es fühlt sich großartig an. Es war eine sehr lange Saison, in der viel Arbeit gesteckt hat. Wenn man dann am Ende zwei Titel gewinnt, ist das wirklich cool.

Nachdem Du und der LAFC schon das beste Team der regulären Saison gewesen wart, habt Ihr Anfang November auch das Meisterschaftsfinale der anschließenden Playoff-Runde gewonnen. Hast Du viele Glückwünsche aus Hannover bekommen?

Cherundolo: Tatsächlich! Sowohl aus Hannover als auch aus ganz Deutschland. Dadurch, dass ich ja auch beim DFB und beim VfB Stuttgart war und zwischendurch meine Fußballlehrerlizenz gemacht habe, hat man viele Menschen aus der Fußballbranche kennengelernt. Von denen haben sich nach dem Erfolg etliche gemeldet, was mich sehr gefreut hat.

Wie viel 96 steckt in diesem Meistertitel und auch in dem Meistertrainer Steven Cherundolo? Was konntest Du aus Deiner langen Zeit bei Hannover 96 gewinnbringend einfließen lassen?

Cherundolo: Eine Menge! Als Amerikaner, der so lange in der Bundesliga gespielt hat, wo man in jedem Spiel topkonzentriert sein muss, habe ich viel mitgenommen. Mir ist wichtig, dass das eine Eigenschaft ist, die meine Mannschaft auszeichnet: Jedes Spiel ernst zu nehmen und die Intensität immer hochzuhalten. In der MLS geht es immer darum, die Playoffs zu erreichen, ob man beispielsweise Dritter oder Vierter wird, ist nicht entscheidend. In diesem System gibt es dann aber auch immer Spiele, die einige Mannschaften abschenken, zum Beispiel, wenn man weite Flugreisen zu Auswärtsspielen hat. Das gibt es unter mir als Trainer allerdings nicht. Eine solche Einstellung kann ich mit mir nicht vereinbaren. Diese Prinzipien stammen besonders aus meiner Zeit bei 96.

Der LAFC gewann unter Cheftrainer Steven Cherundolo den ersten Meistertitel der Klubgeschichte. (Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Da erkennt man auch den 96-Kapitän Steven Cherundolo wieder, der immer 100 Prozent gegeben und von seinen Mitspielern einfordert hat.

Cherundolo: Ich denke schon. Die Karriere als Fußballer ist ziemlich kurz und schneller vorbei, als man denkt. Da hat man keine Zeit zu verschenken. Für mich zählt jede Trainingseinheit. Wenn man dabei dann auch immer noch mit einem Lächeln zu den Einheiten kommt, ist das umso schöner. Das war bei mir in Hannover schon so – und jetzt in LA ist es nicht anders.

Gab es in Deiner aktiven Zeit Trainer, die Dich besonders beeinflusst haben?

Cherundolo: Es gab ein paar Trainer, die mir persönlich sehr wichtig waren und die mich in meiner Entwicklung geprägt haben. Ewald Lienen war zum Beispiel menschlich ein ganz Großer und für mich ein Vorbild. Er hat immer die richtigen Worte gefunden, die Spieler waren unter ihm immer extrem engagiert. Ralf Rangnick war jemand, der hat die Taktik in den Vordergrund gestellt hat. Bei ihm stand besonders das Umschaltspiel im Fokus. Das war eine sehr lehrreiche und erfolgreiche Zeit, an die ich gerne zurückdenke. Aber auch in der Nationalmannschat hatte ich Trainer, die mich persönlich geprägt haben. Bruce Arena war eher ein Managertyp, der stark auf die Persönlichkeiten und die Charaktere geschaut hat. So hat er dann auch seine Mannschaft zusammengestellt. Bob Bradley war hingegen eher ein Taktiker, der durch seine Trainingsarbeit erfolgreich war. Von all diesen Trainern habe ich mir viel abgeschaut.

Die MLS hatte lange mit dem Vorurteil zu kämpfen, eine Liga zu sein, in die vor allem ältere Fußballer aus Europa wechseln. Zuletzt haben aber auch jüngere Profis, die in Europa auf höchstem Niveau Fußball gespielt haben – als Beispiel könnte man hier Lorenzo Insigne (Toronto) nennen – den Sprung über den großen Teich gemacht. Ist hier ein Umschwung zu erkennen?

Cherundolo: Die MLS gewinnt immer mehr an Attraktivität dazu. Sie wird immer reizvoller für Spieler aus dem Ausland. 2026 kommt die WM in die USA. Das bewegt hier natürlich einiges. Apple TV hat sich kürzlich für zehn Jahre die Rechte an der MLS gesichert, was mehr Zuschauerinnen und Zuschauer an den Fußball binden soll und auch wird. Es passiert aktuell sehr viel im amerikanischen Fußball. Die Liga ist eine echte Alternative - gerade für Spieler, die sich nicht wohlfühlen in Europa oder einfach auf der Suche nach einem anderen Lebensstil sind.

Wenn man einen Blick in die Social-Media-Kanäle des LAFC wirft, kann man auch seitens der Fans viel Leidenschaft sehen. Wie beurteilst Du die Entwicklung des Zuschauerinteresses?

Cherundolo: Ich war bei meinen ersten Spielen in LA wirklich überrascht. Es fühlt sich tatsächlich wie ein europäisches Fußballerlebnis an. Die Abendspiele haben sogar ein bisschen "Europa-League-Charakter" und bei mir so Erinnerungen an eine Zeit geweckt, an die wir alle gern zurückdenken. Die Atmosphäre ist top. Es kommen immer mehr Fußballfans aller Generationen in die Stadien. Das ist großartig, steigert aber auch die Erwartungshaltung.

In Deutschland gewinnt die NFL seit einigen Jahren immer mehr an Popularität. Ist in den USA eine solche Entwicklung hin zum Fußball zu erkennen?

Cherundolo: Der Fußball holt in den USA auf jeden Fall auf. Man ist, was die Popularität angeht, bereits am Eishockey vorbei. Auch den Baseball hat man in bestimmten Bereichen schon eingeholt. Die Basketball-Liga (NBA) und die American-Football-Liga (NFL) sind aktuell noch vor uns. Die WM 2026 wird hier ebenfalls einen großen Einfluss darauf haben, dass das Interesse zunimmt. Dann geht es darum, wie 1994, als das letzte Mal eine WM in den USA stattfand, den Hype zu nutzen, um den Fußball weiterzuentwickeln. Dafür sind wir hier gut aufgestellt.

Apropos gut aufgestellt. Du hattest letzte Saison einige Hochkaräter in Deinem Kader: Mit Giorgio Chiellini und Gareth Bale sind zwei Weltstars nach LA gewechselt, auch Christian Tello ist ein Spieler, den man in Europa kennt. Wie groß war für Dich die Aufgabe, solche Persönlichkeiten so zu integrieren, dass man am Ende ein funktionierendes Team vorfindet?

Cherundolo: Wir als Verein haben uns dazu entschlossen, die Möglichkeiten zu nutzen und diese Transfers zu tätigen. Ich habe mit den Spielern vorab gesprochen und ihnen meine Idee vom Fußball vorgestellt. Da hat sich schnell herausgestellt, dass die Zusammenarbeit sehr gut passen würde, was sich dann auch bewahrheitet hat. Die Jungs haben hier Spaß am Fußball. Das ist für Spieler, die in ihrem Leben sportlich schon alles erreicht haben, eine nicht zu unterschätzende Komponente. Die Jungs fühlen sich hier sehr wohl – und wir freuen uns, dass sie da sind.

Steven Cherundolo begrüßte im Sommer neben anderen bekannten Namen auch Giorgio Chiellini als Neuzugang. (Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Bale hat für den LAFC nach seiner Einwechslung im Meisterschaftsfinale den späten Ausgleichstreffer erzielt, der Euch ins Elfmeterschießen geführt hat. Wie macht man einem solchen Spieler klar, dass er nicht jedes Spiel von Anfang an spielt, aber dennoch ein wichtiger Faktor fürs Team ist?

Cherundolo: Spieler wie Chiellini, Bale und Tello haben eine große individuelle Qualität und sind erfahren genug, um zu wissen, dass man dem Team auch nach einer Einwechslung helfen kann und noch einmal 100 Prozent geben muss. Und: Wenn du ein Stürmer bist, weißt du, dass du im besten Fall treffen solltest. Genau das hat Gareth dann auch gemacht. Er hat einen großartigen Abschluss und kann aus einer halben Chance ein Tor erzielen.

Wie groß ist jetzt die Herausforderung an dieses erste Jahr, das eigentlich nicht zu toppen ist, anzuschließen?

Cherundolo: Fakt ist, dass keine Saison gleich ist. Wir bekommen zwei zusätzliche Wettbewerbe in der neuen Saison dazu. Als Meister treten wir in der Champions League an, und dann wird noch der League Cup, ein Pokalturnier mit der mexikanischen Liga zusammen, neu eingeführt. Es gibt also eine Menge neuer Herausforderungen für uns. Nichtsdestotrotz bleiben die Liga und die anschließenden Playoffs unsere höchste Priorität. Wenn wir es zudem schaffen, gut und vor allem gesund durch die reguläre Saison zu kommen, rechne ich mir auch für die anderen Wettbewerbe einiges aus.

Im zweiten Teil des Interviews spricht Cherundolo über die laufende 96-Saison und seine noch immer vorhandene Verbindung nach Hannover. Hier gelangt Ihr hin.

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