«Leverkusen.» Mitleid ist normalerweise das Schlimmste, was einem Fußballer widerfahren kann. Doch Robert Enke konnte einem nur noch leid tun. Der Torwart von Hannover 96 war wieder einmal der beste Spieler seines Teams, hielt, was er halten konnte – und musste diesmal viermal hinter sich greifen.

Dazu musste er sich fast 90 Minuten Hohn und Spott von den Rängen anhören. Als wenn das Ergebnis für ihn nicht schon schlimm genug gewesen ist. Und das in dem Spiel, das zum „Duell der Thronfolger“ hochstilisiert worden war. Enke gegen Rene Adler – das war gestern Abend ein völlig ungleiches Duell, und neue Aufschlüsse für Bundestrainer Joachim Löw hat es auch nicht gebracht, wer denn nun die wahre Nummer 1 im deutschen Nationaltor ist. Der hannoversche Keeper stand unter Dauerbeschuss, musste sich immer wieder den schnellen Bayer-Stürmern entgegenstellen, musste hechten, fausten, Kopf und Kragen riskieren. Er tat wahrlich sein Möglichstes, wurde jedoch wieder mal allzu oft von seinen Vorderleuten im Stich gelassen. Sein Gegenüber Adler hatte es schon erheblich komfortabler. Ob er nach seiner langen Verletzungspause wirklich schon wieder voll auf der Höhe ist, musste er nicht einmal unter Beweis stellen. 96 war so ungefährlich, so unfähig im Offensivspiel, dass der 23-Jährige gerade einmal einen Flankenball abfangen musste; und da waren bereits 67 Minuten gespielt. Ansonsten konnte er sich an dem Gebotenen seiner Mitspieler erfreuen und sich in aller Ruhe die Hohngesänge seiner Fans für seinen Nationalelfkonkurrenten anhören. „Schießbude Enke“ hallte es über die Baustelle „BayArena“. Immer und immer wieder.

Enke war an diesem Abend einfach nur der ärmste Mann auf dem Platz. „So darf man sich nicht präsentieren“, schimpfte Enke nach dem Spiel, „einige haben sich bei uns von einem guten Spiel gegen schwache Mönchengladbacher blenden lassen. Wenn ich den Ballverlust vor dem 0:1 sehe, kann ich nur den Kopf schütteln.“ Enke hielt gut – und redete Klartext. Jörg Grußendorf