NIEMALSALLEIN

Wo sonst alles beginnt im Fußball, in dem wunderbaren Spiel, dort geht an diesem Morgen alles zu Ende. Im Anstoßkreis der AWD-Arena steht der schlicht gezimmerte Sarg aus Tannenholz von Robert Enke († 32), umgeben von weißen Rosen.

 

Die Nummer 1 ist tot. Das Tor ist leer. Das wunderbare Spiel steht still.

Auf der Osttribüne steht ein weinender Junge im Enke-Trikot, zehn Jahre alt vielleicht. Er lehnt sich an seinen Vater, der nun irgendwie erklären muss, warum ein Held nicht mehr leben will.

"Robert Enke wird nie wieder in dieses Stadion kommen", sagt Hannover-Boss Martin Kind wenig später. "An den Ort, an dem er unsere Herzen erobert hat."

Es ist viertel vor zehn, als Teresa Enke (33) den Rasen betritt. Die Witwe geht zu ihrem Mann, getragen vom Applaus von 40 000 Menschen. Sie steht am Sarg, und nur sie weiß, was sie in diesem Moment ihrem Mann erzählt. "Wir dachten, mit Liebe geht alles", hat sie nach seinem Tod gesagt. "Aber es geht eben doch nicht immer."

Teresa Enke hat ihre Tochter Lara († 2) begraben. Nun begräbt sie den Vater ihrer Tochter. Der Applaus im Stadion ist voller Mitgefühl und Bewunderung für diese Frau, für ihre tapferen Tränen. Aber es ist auch der bittere Klang ihrer Einsamkeit.

Deutschland weint mit Frau Enke.

Um kurz vor elf legen Michael Ballack und Per Mertesacker einen Kranz am Sarg nieder.

Letzter Gruß der Nationalmannschaft. Ein Streichquartett spielt auf.

"Eine heimtückische Krankheit hat dir das Herz gebrochen und dich von uns gerissen, aus deinem Stadion", sagt 96-Präsident Kind.

Über die Stadionlautsprecher hört man, wie das Rede-Manuskript in seinen zitternden Händen raschelt.

Ein junges Mädchen singt die Vereinshymne "Alte Liebe".

Die Fans heben ihre Schals zu dem Lied. Dieses Stadion ist der richtige Ort für ihre Trauer. Es ist ihre Kirche. Aber man kann hier im Trikot kommen, klatschen und rauchen und seinen Schal schwenken. Man kann trauern, wie ein Fan-Herz eben trauert.

"Fußball darf nicht alles sein", sagt DFB-Präsident Theo Zwanziger in seiner Traueransprache. "Ein wenig mehr, nach diesen schlimmen Tagen, an die Würde des Menschen zu denken; in seiner Vielfalt, nicht nur in seiner Stärke, sondern auch in seiner Schwäche, empfinde ich als Auftrag dieses an sich sinnlosen Sterbens."

Die Sonne an diesem kühlen Morgen wandert übers Stadiondach und strahlt auf den Sarg. Auf einen Menschen, der in seinen Schatten gefangen war.

Um kurz nach zwölf tragen fünf Spieler von Hannover 96 und ein Betreuer ihren Torwart aus dem Stadion.

Man wünscht sich, sie könnten den lebenden Robert Enke tragen. Auf ihren Schultern nach einem großen Spiel. Den Sieger Enke, den "ROOOBERT ENKE!" der Sprechchöre.

Enke, den Helden. Aber es ist das letzte Geleit für einen Mann, der keine Kraft mehr hatte, ein Held zu sein.

 

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