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Chahed will zurück auf die große Bühne

"Ich war zu blauäugig": Von 2009 bis 2013 spielte Sofian Chahed für Hannover 96. Danach lief einiges schief in der Karriere des Deutsch-Tunesiers. Was genau, und was er heute macht, verrät Chahed in Teil sechs unserer Serie "Was macht eigentlich ...?"

/ Profis
Von 2009 bis 2013 im 96-Trikot: Sofian Chahed.

71 Pflichtspiele für Hannover
Sofian Chahed saß schon auf gepackten Koffern. Der Flug war gebucht, die Vertragsdetails geklärt. Chahed wollte sich Ferencvaros Budapest anschließen, einem Spitzenklub aus Ungarn. Kurz vor der Abreise bekam er einen Anruf vom Berater. Es ging ums Geld. "Der Berater wollte, dass ich auf einen Teil meines Gehalts verzichte", sagt Chahed. Diesen Teil wollte der Berater für sich behalten, als Provision sozusagen. "Er meinte, dass er sonst nicht genug am Transfer mitverdienen würde. Das kam mir komisch vor." Chahed lehnte ab, und weil Ferencvaros nur mit dem Berater, nicht aber mit dem Spieler selbst verhandeln wollte, platzte der Deal. Chahed blieb in Berlin. Arbeitslos.

Da ahnte er schon, dass es mit seiner Fußballkarriere ziemlich bald zu Ende sein würde.

Ein paar Monate zuvor, im Mai 2013, hatte Chahed sein letztes Spiel für Hannover 96 bestritten und danach keinen neuen Vertrag mehr bekommen, nach vier Jahren und 71 Pflichtspielen im Trikot der Roten. Chahed wäre damals gerne geblieben, er fühlte sich wohl in der Stadt und gut genug für die Bundesliga. "Aber Trainer Mirko Slomka wollte mich nicht mehr haben", sagt Chahed. Da war er 30 Jahre alt.

Angebot aus New York
Heute ist Chahed 35 Jahre alt, lebt mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in Berlin und arbeitet als Jugendtrainer bei Hertha BSC, dem nächsten 96-Gegner in der Bundesliga (Samstag, 15.30 Uhr, HDI Arena). Chahed ist zufrieden mit sich und seinem Leben, und mit ein paar Jahren Abstand fällt es ihm auch nicht mehr so schwer, über das Ende seiner aktiven Laufbahn zu sprechen, über die vielen Enttäuschungen und verpassten Chancen. "Ich war zu blauäugig", sagt er rückblickend, "ich habe mich zu sehr auf meine Berater verlassen und zu wenig auf meine Intuition gehört."

Denn es hätte ja auch ganz anders kommen können, damals, nach dem Aus in Hannover. Chahed lagen mehrere Angebote unterklassiger Vereine vor, aber seine Berater schlugen eines nach dem anderen aus, im Glauben, etwas Lukrativeres zu finden. Sie irrten sich. Chahed blieb ein halbes Jahr ohne Festanstellung, hielt sich bei den Amateuren von Hertha BSC fit, die ihn ebenfalls verpflichten wollten. Aber auch dieses Angebot lehnten Chahed und seine Berater ab. Vierte Liga? Lieber nicht.

Chahed zockte weiter - und hatte Glück. Im Januar 2014 lagen ihm zwei Angebote vor. Eines von Ferencvaros Budapest, eines von Red Bull New York. "Ich fand beides super", sagt Chahed. Er entschied sich für Budapest. "Meine Frau erwartete das nächste Kind, und Budapest lag deutlich näher an unserer Heimatstadt Berlin als New York", sagt Chahed. Er ließ das Angebot aus Amerika verstreichen, einigte sich mit den Ungarn auf einen Vertrag. Dann kam der Anruf des Beraters und Chahed stand plötzlich mit leeren Händen da. Er haderte. Eine letzte Chance sollte er aber noch bekommen, wenn auch keine faire, wie sich herausstellten sollte.

Flucht aus Frankfurt
Im Sommer 2014 einigte sich Chahed mit dem Zweitligisten FSV Frankfurt auf einen Einjahresvertrag, "obwohl ich von Beginn an kein gutes Gefühl bei der Sache hatte". Er sollte Recht behalten. Chahed gab im Training Vollgas, fühlte sich so fit wie lange nicht mehr, wurde von Trainer Benno Möhlmann aber kaum beachtet. Chaheds Unmut wuchs von Woche zu Woche. Am dritten Spieltag platzte ihm der Kragen.

Chahed erinnert sich noch an den Vorfall, als wäre es gestern gewesen. "Wir waren zu Gast in Nürnberg", sagt er. Der FSV führte Mitte der zweiten Halbzeit mit 1:0, als Außenverteidiger Denis Epstein verletzungsbedingt vom Feld musste. "Wir hatten damals größere Personalprobleme, und ich war der einzige Defensivspieler auf der Bank." Chahed sah seine große Chance gekommen, machte sich intensiv warm. Doch Möhlmann wechselte einen Offensivspieler ein und ließ ihn auf der Chahed-Position spielen. "Da war mir klar: Das bringt hier nichts!" Chahed setzte sich ein letztes Mal mit dem Trainer an einen Tisch, wurde danach nicht mehr für den Kader nominiert. Im November 2014 wurde der Vertrag aufgelöst. Offiziell aus privaten Gründen.

Trainerjob in Berlin
Chahed zog zurück nach Berlin und bereitete seine Karriere nach der Karriere vor. Er machte ein Praktikum beim Berliner Fußballverband, sammelte erste Erfahrungen im Trainerbereich. "Mir war schon als Profi klar, dass ich später mal als Trainer arbeiten würde", sagt Chahed. Zum Beweis holt er sein kleines Notizbuch heraus. Das hat er sich zu seiner Zeit als Profi in Hannover zugelegt und alles darin festgehalten, was ihm wichtig erschien: Trainingsmethoden, Übungsformen, Eindrücke und Erfahrungen. "Nach jeder Einheit habe ich in der Kabine gesessen und aufgeschrieben, was wir auf dem Platz gemacht haben und wie es mir gefallen hat", sagt Chahed. Das Heft ist sein kleines Heiligtum.

Inzwischen guckt er aber nicht mehr jeden Tag hinein. Er hat ja schon ein bisschen mehr Erfahrung als Trainer. Im Sommer 2015 hat Chahed die DFB-Elite-Lizenz erworben, danach als Co-Trainer beim Berliner Viertligisten FC Viktoria gearbeitet. Seit Sommer 2016 ist Chahed zurück bei Hertha BSC, seinem Heimatklub. Er ist erst Co-Trainer der U16 gewesen, dann Cheftrainer der U14 und seit dieser Saison ist er Cheftrainer der U15. "Es macht mir richtig Spaß, mit den Jungen zu arbeiten und ist ein wichtiger Lernprozess für mich", sagt Chahed. Aber allzu lange möchte er den Job trotzdem nicht mehr machen.

Chahed will zurück in die Bundesliga, zurück auf die große Bühne. Egal, ob als Trainer oder als Manager. "Ich bin da offen für Neues", sagt er, "aber ich bleibe auch ruhig. Ich bin dankbar für das, was ich habe." Das hat er aus seiner Zeit als vereinsloser Spieler gelernt.
hop

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