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"Die Mannschaft hat sich stabilisiert"

Im großen Interview zum Jahresbeginn spricht 96-Geschäftsführer Martin Kind über die Entwicklung der Mannschaft unter Trainer Kenan Kocak, die kuriose Tabellensituation in der 2. Liga, die Rückeroberung der Zuschauer - und verrät, warum er sich für die Handballer der Recken freut.

/ Klub, Profis

 

 

 

 

Herr Kind, Anfang des Jahres wird nach vorne geschaut. Deshalb haken wir das vergangene Jahr mit einer Frage ab: Wie würden Sie das Fußballjahr 2019 von Hannover 96 mit einem Satz beschreiben?

Martin Kind: Ich glaube, dafür brauche ich etwas mehr als einen Satz. Da ist erst einmal der sportlich und wirtschaftlich desaströse Abstieg aus der Bundesliga als Ergebnis vielfältiger Fehlentscheidungen - insofern ein berechtigter Abstieg. Und da ist der Neuaufbau in der 2. Liga mit dem gemeinsam definierten Ziel, den Wiederaufstieg zu versuchen - leider ist die sportliche Entwicklung deutlich schlechter verlaufen als erwartet.

Sie haben sich im November entschieden, Mirko Slomka zu entlassen und Kenan Kocak als neuen Trainer zu verpflichten. In den letzten beiden Heimspielen 2019 hat sich die Mannschaft deutlich anders präsentiert als zuvor. Welchen Anteil daran hat Kenan Kocak?

Kind:
Bei der Entscheidung ging es um die kritische sportliche Entwicklung und Fragen wie Motivation, Taktik und vieles mehr. Kenan Kocak ist es gelungen, der Mannschaft wieder Selbstvertrauen zu vermitteln, taktische Disziplin, Kondition, ein anderes Zweikampfverhalten und weitere Faktoren, sodass nach heutiger Einschätzung der Turnaround gelungen ist. Die Mannschaft hat sich stabilisiert. Diesen Weg gilt es, 2020 fortzusetzen.

Wie erleben Sie den Trainer und Menschen Kocak?

Kind:
Er ist ein Mann, der authentisch und glaubwürdig ist, der Vertrauen gibt, aber auch Vertrauen fordert. Er ist - in Anführungsstrichen - ein Arbeiter des Fußballs, der diesen Sport lebt und vorlebt. Er erreicht die Mannschaft, sie entwickelt sich und ist motiviert. Kocak hat im Team wieder die Leistungsbereitschaft und das Sieger-Gen geweckt. Er hat die Mannschaft im positiven Sinne in den Griff gekriegt.

Hannover 96 startet am 28. Januar in Regensburg aus einer Tabellensituation in die Rückrunde, in der es zehn Punkte bis zu den Plätzen 2 und 3 sind, aber nur zwei Punkte bis zum Relegationsplatz. Machen Sie sich Abstiegssorgen?

Kind:
Es ist schon interessant: In der 2. Liga gibt es kein Mittelfeld. Die Tabelle lässt alle Optionen offen, nach unten, aber theoretisch auch nach oben. Mit dem Abstieg beschäftigen wir uns nicht. Wir werden - auch ohne Transfers - einen sicheren Tabellenplatz erreichen, weil sich die Mannschaft unter Kenan Kocak wie beschrieben entwickelt hat.

Erschwert die Situation die Planungen für die kommende Saison? Theoretisch muss 96 Stand jetzt die Lizenz für die 1., 2. und 3. Liga einreichen...

Kind:
Da rechnerisch alles möglich ist, wird das vermutlich so sein, das werden wir aber noch einmal in Ruhe besprechen. Wir werden auf jeden Fall die Lizensierungsunterlagen nach den Vorgaben von DFL und DFB vorbereiten.

Als Ziel für den Rest der Saison haben Sie Realismus und Vernunft genannt, aber auch die Bereitschaft, alle Möglichkeiten zu nutzen. Das ist unterschiedlich interpretiert worden. Können Sie das konkretisieren?

Kind:
Realismus heißt, dass wir unsere derzeitige sportliche Situation kennen und überzeugt sind, dass die Mannschaft - wie beschrieben - einen sicheren, mittleren Tabellenplatz erreichen kann. Vernunft heißt, dass wir jetzt kein Wunschkonzert diskutieren und auf Basis dieser Wünsche Transferentscheidungen treffen, ohne dass wir unser Ziel realistisch erreichen können. Und zu den Möglichkeiten: Wir werden die Ergebnisse von Spieltag zu Spieltag im Gesamtkontext der 2. Liga analysieren und unsere Einschätzung immer wieder neu diskutieren.

Ist es auch ein Ziel, die Zuschauer zurückzugewinnen? Das 2:2 gegen Stuttgart hat viele 96-Fans endlich einmal wieder begeistert nach vielen Enttäuschungen besonders in den Heimspielen.

Kind:
Wir haben im letzten Spiel 2019 eine Mannschaft gesehen, die leistungswillig und leistungsstark war und auch einen Rückstand verkraftet hat, die niemals aufgegeben hat. Diesen Kampf und diese Bereitschaft haben die Zuschauer erlebt und honoriert. Ich hoffe, dass sich dieses Spiel in den Köpfen festgesetzt hat und die Zuschauer wissen, dass es sich lohnt, diese Mannschaft zu unterstützen. Wenn wir da im neuen Jahr weitermachen, haben wir auch die Unterstützung der Bürger in der Stadt und der Region. Denn eines ist klar: Die Hannoveraner wollen in die 1. Liga, wenn nicht in diesem Jahr, dann im nächsten.

Knapp 20.000 Menschen haben vor der Saison eine Dauerkarte für die 2. Liga gekauft.

Kind:
Das war großartig. 96 braucht dieses Vertrauen. Man muss ganz klar sagen: Wir haben versagt, wir haben unser Ziel und unser Versprechen nicht erfüllt, deshalb sind Zuschauer in der Hinrunde weggeblieben. Wir müssen durch Leistungsstärke, durch Siegeswillen, durch gute Ergebnisse die Zuschauer motivieren, die Mannschaft zu unterstützen. Das Stuttgart-Spiel kann in dieser Hinsicht der erste wichtige Schritt gewesen sein.

Sie haben gesagt, dass grundsätzlich Transfers im Winter möglich sind, es aber keine Alibientscheidungen geben wird. Was bedeutet das?

Kind:
Alle Planungen finden im Kontext mit den Planungen für die kommende Saison statt. Wir wollen keinen Spieler nur für ein halbes Jahr verpflichten. Wichtig ist, dass es eine klare Strategie gibt, die Profile der Spieler sauber beschrieben sind und der Trainer einer solchen Verpflichtung zustimmen muss.

Sie haben im Sommer gesagt, dass Sie die 96-Struktur weiterentwickeln wollen. Wie weit sind Sie damit?

Kind:
Es handelt sich um eine geplante Neuausrichtung, die gut vorbereitet sein muss. Die Grundgedanken habe ich erarbeitet, die sportliche Entwicklung hat dann aber alles überlagert, sodass erst einmal andere Prioritäten zu setzen waren. Das Thema wird zu gegebener Zeit fort- und umgesetzt.

Wie lauten Ihre Wünsche für Hannover 96 im Jahr 2020?

Kind:
96 hat mit der HDI Arena und dem Nachwuchsleistungszentrum in der Eilenriede eine Infrastruktur, die erstklassig ist. Damit gehört 96 auch sportlich in die 1. Liga - das zu erreichen ist spätestens für 2020/21 unser Ziel. Ein Bundesligaverein ist für eine Stadt etwas Besonderes, die Menschen haben das verdient.

Außerdem kann 96 den Handballern der Recken ja nicht allein das Feld überlassen ...

Kind:
Die Recken machen das super. Ich finde es auch gut, dass zwei Zeitungen in Hannover die erfolgreichen Handballer auf die erste Seite ihres Sportteils nehmen. Die sind in der 1. Liga, wir sind in der 2. Liga. Die Recken performen, wir zuletzt nicht - deshalb ist das für mich absolut in Ordnung. Ich habe höchsten Respekt vor der Entwicklung der TSV Hannover-Burgdorf, über die ich mich sehr freue.

Weckt das auch den Ehrgeiz, die Seite 1 des Sportteils für 96 zurückzuerobern?

Kind:
Na klar. Noch einmal: Die Recken leisten tolle Arbeit. Handball ist in den Zeitungen in der Berichterstattung nicht so politisch geprägt. Ich habe noch nie gelesen, dass über Vertragsdetails von Spielern geschrieben wird oder diese ausführlich bewertet werden. Die ganzen, ich nenne es mal, Spielereien, die es im Fußball gibt, die kommen im Handball nicht vor. Bei uns werden meistens die negativen Dinge herausgepickt, es geht nur noch selten um Inhalte, sondern um Schlagzeilen. Es wird personalisiert. Das alles gibt es im Handball oder Eishockey nicht, da ist die Berichterstattung differenzierter.
hr

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