NIEMALSALLEIN

Wie nennt sich das doch gleich, wenn eine Verpackung etwas verheißt, was der Inhalt nicht hergibt? Mogelpackung? Etikettenschwindel? Der Gedanke lässt sich auf den Bundesligisten Hannover 96 beziehen.

 

Es ist zwar ein bisschen frech und um die Ecke gedacht, aber letztlich nicht so abwegig: Man stelle sich mal den Mannschaftsbus als Verpackung und das Team darin als Inhalt vor: "Die Roten" steht da als Markenname überall drauf. Aber was steckt drin? Was ist das für eine Mannschaft? Ist da eigentlich noch so etwas wie ein "roter Funke" (Zitat: 96-Trainer Mirko Slomka) in dem Team, das da in ein paar Wochen schon in die Bundesligasaison startet? Was verspricht der Klub eigentlich denen als Gegenwert, die jetzt den Kauf einer Dauerkarte erwägen?

"Skepsis ist verständlich. Die Fans verlangen zu Recht, dass da noch was passiert", sagte Slomka vor eine paar Tagen – wohl auch mit Blick auf Emanuel Pogatetz, dessen Verpflichtung kurz darauf publik wurde. Aber Pogatetz und dazu die zwei Ersatztorhüter Marcus Miller und Ron-Robert Zieler sowie Lars Stindl, Moritz Stoppelkamp und vielleicht noch der von 96-Sportdirektor Jörg Schmadtke umworbene junge Schalker Jan Moravek fürs offensive Mittelfeld – reicht das schon fürs neue Gesicht der "Roten"?

Der Bus jedenfalls lockt auf die falsche Fährte. Hinten rechts ist darauf eine Jubelszene abgebildet – siehe Foto oben. Zu erkennen sind da (von rechts): Christoph Dabrowski (Trikotnummer 5), Jiri Stajner (24), Ricardo Sousa, Per Mertesacker (29), Thomas Brdaric (13) und Vahid Hashemian (von der 16 ist nur die 6 zu sehen). Allesamt Heroen einer 96-Vergangenheit, die in der Erinnerung schon größer, schöner und strahlender erscheint, als sie es tatsächlich je war. Nur wie viele von denen sitzen noch tatsächlich drin im "feuerroten Spielmobil"? Man ahnt es: keiner!

Dabrowski ist gerade mit dem VfL Bochum in die 2. Liga abgestiegen. Stajner, der letzte Häuptlingssohn vom Stamme Kult, sucht sein Heil in der Heimat. Sousa – wohl vereinslos. Per Mertesacker ein Hannoveraner in Bremen. Aus der "Wilden 13" Thomas Brdaric ist längst ein braver Familienvater mit zwei hübschen Kindern und zwei hässlichen Knieproblemen geworden. Hashemian, Ex-Bayer, Ex-96er und zweifacher Ex-Bochumer, ist jetzt wieder ein Teheraner geworden. Die Meute bestürmt übrigens den Torschützen des 1:0 im Heimspiel gegen den MSV Duisburg im Herbst 2005 (es endete 1:1): Michael Delura. Und der hat zuletzt sein Talent bei der chronisch klammen Arminia Bielefeld in der 2. Liga verschleudert.

Ein bisschen Wehmut kommt auf beim Gedanken an jene Zeiten. Ewald Lienen war (noch, aber nicht mehr lange) Trainer. Sind wir mal ehrlich: Es wurde zuweilen etwas zementiert gespielt, keineswegs durchweg Fußball zum Zungeschnalzen. Aber bei den Fans der "Roten" herrschte Zuversicht, dass da was entsteht, dass es vorangeht. Aber es ist nicht aufwärtsgegangen. Im Gegenteil, um Haaresbreite ist die Mannschaft jetzt am Abstieg und damit an einer existenzgefährdenden Krise vorbeigeschrammt. Nicht die fußballerische Klasse wurde in all den Jahren nachhaltig gesteigert, sondern allein die gehandelten Namen sind größer geworden. Und natürlich auch die Egos derer, die sich mit diesen Namen schmücken wollten.

Gestiegen sind zudem die Beträge, um die es dabei ging, und folglich auch die Verluste. Und gewachsen ist schließlich auch der Argwohn des Publikums. Benjamin Lauth, Valérien Ismaël, Mikael Forssell, Mario Eggimann, Jan Schlaudraff – schon vergessen? Große Namen, große Sorgen, große Enttäuschungen. Daran erinnern sich sicher viele Anhänger der 96er, die sich fragen, wie viel ihnen ein neues Saisonticket wert ist. Es herrscht eine "Wird das was oder wird das nichts?"-Stimmung in der Stadt.

Klar ist: Der Verlust Robert Enkes sowie der Abschied von Polarisator Stajner, dazu Arnold Bruggink, Hanno Balitsch und Vinicius sowie die wohl lange Verletzungspause von Altin Lala und Leon Andreasen verändert das Gesicht des Teams dramatisch. So nützlich dem Verein in der Situation die Verpflichtung eines teuren Spielers mit klangvollem Namen am Ticketschalter auch sein könnte – sportlich und im Sinne der soliden Entwicklung ist ein Transfer der Kategorie Dider Ya Konan erheblich wertvoller. Ihn kannte kaum einer, Starfaktor und Dauerkartenrelevanz gleich null, aber er ist schnell zum Publikumsliebling und Torjäger geworden.

Ya Konan und Typen wie Aufsteiger Manuel Schmiedebach und die auf ihre alten 96-Tage noch einmal ins Rampenlicht tretenden Strategen wie Steve Cherundolo und Sergio Pinto sind es, an die Slomka denkt, wenn er sagt: "Die Spieler, die in den letzten Spielen des Abstiegskampfes 96 ein Gesicht gegeben haben, die prägen auch das neue. Der rote Funke hat da eine besondere Rolle gespielt, und er überträgt sich. Wir verpflichten Spieler, die sich identifizieren. Die Fans müssen merken, dass diese Neuen zu uns gehören."

Läuft alles nach Slomkas Plan, brauchen seine neuen „Roten“ und das hannoversche Publikum höchstens drei, vier Spieltage, um sich Hals über Kopf ineinander zu verlieben. Und dann ist es eigentlich auch Zeit für einen neuen Anstrich des alten Busses. Und sollten sie beim Klub wieder ein Foto für die Dekoration des Hecks suchen: Irgendetwas mit Ya Konan, Schmiedebach, Karim Haggui und dazu vielleicht Pogatetz und Florian Fromlowitz hätte Gesicht. Ein schönes neues Gesicht.

 

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