NIEMALSALLEIN

 

Dieter Hecking mag viele Gesichter haben, bei den Pressekonferenzen zwei Tage vor den 96-Spielen zeigt er immer nur zwei. Patzig-knurrig oder freundlich-ausdauernd – mal sehen, für welchen Dieter sich Hecking heute entscheidet.

Dabei lehnt Hecking nicht etwa die Medien rundweg ab wie der kauzig-authentische Ewald Lienen. Lienen war ein Linker, Hecking ist ein Konservativer. Ex-Polizist, CDU-nah. Und launisch, zurzeit häufen sich unsouveräne Auftritte. „Es nagt an mir, dass wir die Ziele, die wir uns gesetzt haben, nicht erreichen.“ Hecking hätte das nach dem 0:4 in Frankfurt gar nicht zugeben müssen – man sieht es ihm seit Wochen an.

In den TV-Interviews erkennt man den Druck, unter dem er steht. Die Schwäche lässt sich von den Kameras leichter ablesen als die sportliche Krise. „Hecking leidet am meisten an der Situation“, erklärt der 96-Chef. Martin Kind meint jedoch: „Man soll sich nicht täuschen, er ist sehr stark.“ Der dünnhäutige Außeneindruck täuscht dann wohl.

Seine Stärke versteckt Hecking ganz gut, sie muss von innen kommen. Die Familie lebt in Bad Nenndorf, nach Jahren der Trennung seit September 2006 vereint. Die ideale Konstellation für einen Bundesliga-Trainer – der Traumjob vor der Haustür.

Nun droht die Entlassung, und damit wackelt auch das private Glück – was den Druck erhöht. Sollte der Trainer gefeuert werden, wird er wieder in eine andere Stadt ziehen. Das heißt – Leben im Hotel, und nur ein bis zwei Tage, an denen er die Familie mit den Kindern sehen wird.

So ist der Job, für den der 44-Jährige „einen klaren Karriereplan“ hat. „Ich habe mir immer Etappenziele gesetzt, mein Weg ist immer kontinuierlich nach oben gegangen.“ Doch jetzt stößt er an eine Grenze. „Das ist die erste stressige Phase für mich, in der man Gegenwind spürt.“

In Krisen reift der Trainer, meint der 96-Boss, wie Weintrauben in der Sonne. Aber man braucht auch Strategien für Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint.

Den Knüppel will der Polizist in der Krise nicht rausholen. Hecking setzt auf Deeskalation. Er sucht eine Linie, ist eher Spieler-Versteher als scharfer Hund, obwohl er die Profis doch nicht mehr wirklich versteht.

Als Hecking noch spielte, galt – Achtung, großes Wort – eine andere Arbeitsmoral. In diesen unmoralischen Zeiten kämpft Hecking nun viele kleine Kämpfe, die auch Konflikte mit der Mannschaft sind. So wird die vor kurzem ausgesprochene Abmahnung für Zeugwart Michael Gorgas wichtiger, als sie sollte. Zeugwarte sind beliebt bei den Spielern. Sie fragen: Musste das sein?

Hecking antwortet dann gern, die Mannschaft kümmere sich um Dinge, die sie nichts angehe. So kann auch die Jagd nach Maulwürfen zu einem Klima der Verdächtigungen und Miesepetrigkeit führen. In mieser sportlicher Stimmung droht das zu einem explosiven Gemisch zu werden, das sich nur in einem Knall entladen kann.

Dabei hat Hecking so viel vor mit 96, vielleicht zu viel. Der ehrgeizige Trainer will nicht nur in den Europacup, er will 96 auch umgestalten. Als Spieler erlebte Hecking die schlimme Chaos-Zeit in der dritten Liga. Die prägte ihn, er glaubt zu wissen, wo Freund und Feind sitzen.

Nun an der Macht, will er von Jugend- und Amateurbereich an alles neu organisieren. 96 soll auch bundesweit endlich stärker wahrgenommen werden. Dass sich nun die Scheinwerfer auf Hannover richten, weil er gegen den Rauswurf kämpft, gehört nicht zu Heckings Plan.

VON ANDREAS WILLEKE

 

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