Damals gegen Fürth ...
Der Witz ist ja, dass er den Ball gar nicht richtig gesehen hat. Andrzej Kobylanski ist eher auf Verdacht abgesprungen, hat sich ganz lang gemacht, und dann hat er den Ball aus dem Winkel gefaustet. Irgendwie. "Ich weiß bis heute nicht, wie ich das gemacht habe, das war Instinkt", sagt Andrzej Kobylanski 20 Jahre danach im Gespräch mit hannover96.de, und dass er sich überhaupt noch so genau an diesen abgewehrten Schuss erinnern kann, liegt ganz sicher daran, dass er in seiner Karriere eigentlich gar nicht fürs Toreverhindern zuständig war. Sondern fürs Toreschießen.
Andrzej Kobylanski, 49, ist zu seiner aktiven Zeit Stürmer gewesen. Von 1994 bis 2000 hat er mit ein paar Jahren Unterbrechung für Hannover 96 gespielt und in 94 Spielen 22 Tore geschossen. Einige wichtige Tore sind darunter gewesen und auch ein paar schöne. Keines aber ist so sehr in Erinnerung geblieben wie Kobylanskis Glanzparade vom 13. Juni 1999, im vorletzten Spiel der Zweitligasaison 1998/99 bei der SpVgg Greuther Fürth.
Müller sieht Rot
Heinz Müller, damals Ersatztorwart bei den Roten und für den verletzten Stammkeeper Jörg Sievers in der Startelf, hatte in der 80. Minute nach einem Handspiel außerhalb des Strafraums die Rote Karte gesehen. Und weil 96-Trainer Franz Gerber bereits dreimal gewechselt hatte, musste ein Feldspieler zwischen die Pfosten. Kobylanski zögerte nicht lange und streifte sich Müllers Torwarttrikot über. "Einer musste es ja machen", sagt Kobylanski, "außerdem habe ich als Jugendlicher im Training manchmal das Tor gehütet."
Es ist der Beginn einer "überragenden Geschichte" (Kobylanski). Mit dem Polen im Tor gehen die Roten spät in Führung, Igoris Morinas trifft zum 1:0. Fürth drängt in der Schlussphase auf den Ausgleich und kommt in der Nachspielzeit zu einer letzten großen Chance. Mathias Surmann schießt aus 16 Metern aufs Tor, doch Kobylanski bekommt die Faust an den Ball. "Den habe ich überragend gehalten", sagt Kobylanski und lacht, "ich glaube, ich bin damals der Held des Tages gewesen, weil wir durch meine Parade weiterhin vom Durchmarsch in die erste Liga träumen durften." Mit dem Aufstieg wurde es am Ende allerdings nichts für die Roten. Ein Punkt fehlte zu Platz drei und dem SSV Ulm 1846. "Das war wirklich schade", erinnert sich Kobylanski, "wir hatten wirklich eine ganz tolle Mannschaft."
Wechsel nach Cottbus
Kobylanski blieb noch eine weitere Saison in Hannover, entschied sich dann aber schweren Herzens dazu, den Verein zu verlassen und beim Erstligisten Energie Cottbus zu unterschreiben. "Ich habe mich in Hannover sehr wohlgefühlt, das ist eine tolle Stadt mit tollen Menschen", sagt Kobylanski, "aber ich hatte halt die Möglichkeit, Bundesliga zu spielen." Von 2000 bis 2003 stürmte der sechsfache polnische Nationalspieler für Energie, dann zog es ihn zurück in seine Heimat, zum polnischen Erstligisten Wisla Plock. Vermutlich hätte er dort auch seine Karriere beendet, hätte ihn nicht eines Tages Werner Kasper angerufen.
Der ehemalige Co-Trainer der Roten hatte im Sommer 2004 den Cheftrainerposten beim Wuppertaler SV übernommen und überredete Kobylanski, noch ein paar Jahre beim damaligen Regionalligisten mitzukicken. Kobylanski unterzeichnete einen Zweijahresvertrag, bat aber schon ein halbes Jahr später um Auflösung seiner Arbeitspapiere. "Ich hatte mich schwer am Sprunggelenk verletzt, musste operiert werden, da hatte ich einfach keine Lust mehr", sagt Kobylanski. "Mit 34 Jahren war es an der Zeit, aufzuhören."
Sicherheitsfirma mit 50 Mitarbeitern
Vom Fußball verabschiedet hat sich Kobylanski aber nie. In den ersten Jahren nach seinem Karriereende hat er unter anderem als Scout und U17-Trainer für Energie Cottbus gearbeitet (2008 bis 2011), ist Co-Trainer beim polnischen Erstligisten Cracovia Krakau (2012) und Sportdirektor bei Korona Kielce gewesen (2013 bis 2014). "Der Job in Kielce war hart", sagt Kobylanski, "aber es hat mir großen Spaß gemacht, den Kader zusammenzustellen, Transfers auszuhandeln. Leider hat der Klub nach eineinhalb Jahren einen neuen Präsidenten bekommen, und mit dem war ich nicht auf einer Linie, was die weitere Ausrichtung des Klubs betraf." Also sind sie getrennte Wege gegangen.
Seitdem ist Kobylanski ohne Festanstellung im Fußball. Aber das ist nicht weiter schlimm. Er hat auch so genug zu tun. Kobylanski, der inzwischen wieder in seiner Heimatstadt Ostrowiec lebt, hat vor Jahren eine Sicherheitsfirma gegründet. Er beschäftigt 50 Mitarbeiter. Außerdem kümmert er sich um seinen Sohn Martin, der inzwischen in der dritten Liga spielt. Bei Eintracht Braunschweig. Aber das ist eine andere Geschichte.
hop