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"Mit einem Unimog auf dem Rasen? Das ist Unfug"

Im Interview spricht 96-Greenkeeper Michael Meyer über das Grün auf den Trainingsplätzen und in der HDI Arena sowie Ausnahmesituationen wie viel Schnee und erklärt, wie eine Rasenheizung arbeitet und warum ihn falsche Behauptungen in den Medien ärgern.  

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96-Greenkeeper Michael Meyer in der HDI Arena. (Foto: 96/Redaktion)

Michael Meyer, vor ein paar Tagen noch minus 14 Grad in Hannover, zuletzt mehr als 15 Grad plus: Mehr als 30 Grad Temperaturschwankung. Was bedeutet das für die Arbeit der Greenkeeper und für den Rasen auf den Trainingsplätzen und im Stadion?  

Michael Meyer: Sicherlich beginnt jetzt der Frühling, aber man kann nicht erwarten, dass ein Hebel umgelegt wird und alles sofort an zu wachsen fängt und es in einer Woche so ist, als wären wir im Juni. Ein paar warme Sonnentage und Sahara-Luftstrom reichen da nicht aus. Die Gräser sind durch den Frost, Schnee und die wenigen Sonnenstunden in einer Winterruhe. Das Wachstum beginnt mit den Wurzeln - und dann geht es oben weiter.  

Um den oberen Trainingsplatz gab es nach dem starken Schneefall große mediale Aufregung und auch Kritik an der Arbeit der Greenkeeper. Hat Sie das als Greenkeeper-Chef getroffen?  

Meyer: Natürlich. Mein Team und ich fühlen uns persönlich angegriffen durch Behauptungen in einem Bericht wie: "Also 100.000 Euro weg, weil die Platzbearbeiter zu dusselig waren." So etwas ist unsäglich und respektlos. Selbst in meinem Heimatort wurde ich schräg angeschaut, da der Artikel auch dort in der Tageszeitung gedruckt wurde. Ich war auch irritiert, weil die Sachlage eine andere war und ist: Der Platz wurde nicht falsch geräumt, und es liegt auch kein Schaden in Höhe von 100.000 Euro vor. Daher muss auch keine Versicherung - wie behauptet -  für diesen nicht vorhandenen Schaden eintreten.  

Der Platz kann also weiter benutzt werden?  

Meyer: Ja, selbstverständlich. Es ist ein typischer Trainingsplatz mit jahreszeitüblichen Abnutzungserscheinungen. Diese hatte der Platz bereits vor dem Schneeszenario. Es betrifft den vorderen Torraum, Strafraum, Mittelachse und Mittelkreis. Nachdem die Kaltfront durch war, haben wir - wie es jedes Jahr üblich ist - den Platz aerifiziert und bereits nachgesät. Für normale Plätze jahreszeitlich zu früh. Da diese Plätze aber mit einer Bodenheizung ausgestattet sind, kann damit eher begonnen werden. Mit der Steuerung der Bodentemperatur kann Einfluss auf Keimung und Nährstoffaufnahme genommen werden. Die Vegetationsperiode beginnt im Prinzip etwas früher. Und natürlich wird der Platz genutzt. Nach ein paar Tagen waren die Konditionstrainer mit verletzten Spielern bereits drauf, da dort die Möglichkeit besteht, sich etwas von der Öffentlichkeit abzuschirmen.  

Es war zu lesen, bei der Schneeräumung sei schweres Gerät eingesetzt worden, mal war von einem Unimog die Rede, mal von einem Traktor.  

Meyer: Das ist alles Unfug. Wir haben keinen Unimog und auch keinen Radlader, mit dem wir über den Platz gefahren sind und mit denen wir angeblich tiefe Spuren verursacht haben. Es wurde im Randbereich mit einem typischen Rasenpflegeschlepper mit breiter Niederdruckbereifung und Räumschild der Schnee weit oberhalb der Grasnarbe an die Seite geschoben, da es händisch aufgrund der enormen Schneemassen nicht mehr möglich war. Das ist eine Art der Durchführung, die durchaus normal ist. Das ist kein Phänomen, das es nur in Hannover gibt. Es gibt keine tiefen Spuren auf dem Platz, hervorgerufen durch einen Unimog oder Radlader.  

Welche Rolle spielt in so einer Ausnahmesituation mit viel Schneefall die Rasenheizung?  

Meyer: Auch da ist viel Unsinn geschrieben worden wie die Behauptung, dass die die Rasenheizung zu früh angestellt worden sei und dadurch eine dünne Schicht aufgeweicht wurde. So etwas zeugt von Ahnungslosigkeit. Die Heizung muss permanent laufen, weil Spieler nicht mehr auf gefrorene Böden gehen und die Heizung bei durchschnittlichen Frosttemperaturen einen Vorlauf von rund drei Tagen benötigt, bis ein paar Grad oben ankommen. Deshalb noch einmal: Der Platz wurde nicht unsachgemäß behandelt, sondern die Durchführung und Art und Weise waren der Situation angepasst. Außerdem wissen wir, was wir unseren Plätzen zumuten können …  

Der Rasen in der HDI Arena ist nach dem Tausch in einem annehmbaren Zustand, auch der untere der beiden Trainingsplätze macht einen guten Eindruck. Auf was ist in den nächsten Wochen bis zum Frühling zu achten?  

Meyer: Beim Rasen im Stadion hatten wir große Einflüsse durch die tiefen Temperaturen. Durch den starken Frost und durch die Kessellage des Platzes, verstärkt durch Schlagschatten der Tribünen, waren bei der Bespielung die Halme gefroren. Die Bodenheizung lief und der Belag war aufgetaut, aber die Gräser an sich befanden sich im Frost. Kommt es dann zu einer Belastung, knicken die Gräser zunächst ab. Die Vakuolen platzen, die Zellen werden zerstört – klingt vielleicht etwas kompliziert, kennt man aber aus dem Biologieunterricht ... Bei ansteigenden Temperaturen wird das Gras langsam aktiv und man sieht, dass der Halm an den Knickstellen gelb wird. Wir haben dort gezielt mit Nährstoffgaben in flüssiger Form gegengesteuert und werden das auch weiter so handhaben müssen, damit die Pflanze widerstandsfähiger wird und schnell Wachstum erzeugt.  

Kehrt der Winter noch einmal zurück, und was würde das für die Plätze bedeuten?  

Meyer: Eine nochmalige Rückkehr des Winters ist möglich, wäre aber nicht nur für uns, sondern auch für viele andere in der grünen Branche nicht gut. Die Verabreichung von Nährstoffen ist eng mit der Temperatur gekoppelt. Werden quasi höhere Mengen an Dünger verabreicht und es entwickelt sich daraufhin eine Kälteperiode, werden Rasenkrankheiten entstehen, weil die Pflanze die Nährstoffe nicht umsetzen kann. Die Rasen- beziehungsweise Bodenheizung hilft da nur sehr begrenzt. Insgesamt kann man sagen, dass dieser Winter die Gräserentwicklung enorm verzögert -und das sogar ohne den Einsatz eines Unimogs (lacht).  

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