NIEMALSALLEIN

96 und die neue Transferpolitik: Die „Roten“ werden mutiger – und treffsicherer / Ismael kommt diese Woche

 

Von Volker Wiedersheim
Hannover. Valerien Ismael von den Bayern zu Hannover 96? Und warum nicht den Jan Schlaudraff gleich mit dazu? Entweder jetzt gleich oder im Sommer. Und was ist mit Mikael Forssell (Birmingham City), Filip Daems (Mönchengladbach), Massimilian Porcello (Karlsruhe) und dem „Roten in Königsblau“, Gerald Asamoah? Winterzeit, Weihnachtszeit, bald schon ruft das Glöckchen zur Bescherung auf dem Transfermarkt.

Und die erste Überraschung wird es wohl schon morgen oder übermorgen geben. „Wir versuchen, dass Ismael noch in dieser Woche zur medizinischen Untersuchung nach Hannover kommt“, sagte gestern 96-Sportdirektor Christian Hochstätter, der bestätigte, dass 96 mit den Bayern über einen Wechsel des Franzosen verhandelt.

Dass außer Ismael noch allerhand andere Namen beim 96-Publikum die Runde machen, ist saisonal bedingt normal. Dass ganz schön große Namen dabei sind, hat es auch immer schon mal gegeben. Neu hingegen ist, dass den meisten der genannten Spieler ein Wechsel zu den „Roten“ tatsächlich zugetraut wird. 96 im Winter 2007, da kann man ja mal bei ein paar Details ein Auge zudrücken und beifällig feststellen: Der Klub hat sich in 18 Monaten zu einer Hausnummer in der 1. Liga entwickelt.
Für 96-Klubchef Martin Kind hängt das vor allem „mit den handelnden Personen zusammen“. Er nennt Trainer Dieter Hecking, Sportdirektor Hochstätter und ausdrücklich auch das Scouting-System als Garanten einer „sehr guten Vorabstimmung“ und einer „sauberen und klaren Abwicklung“ der Transfers. „96 wird daher in der öffentlichen Wahrnehmung und bei Spielern, Beratern sowie Klubs inzwischen als deutlich professioneller eingeschätzt.“ Ob Kind das schmeichelt? „Schmeicheln? Nein! Aber ich bin schon ganz zufrieden“, meint der Chef.

Rückblende, Phase 1 der jüngeren 96-Transferhistorie
Bis zum Spätsommer 2006 lag das Geschäft in den Händen des damaligen Trainers Peter Neururer und vor allem des ihm vorgesetzten Managers Ilja Kaenzig. Der Schweizer firmiert inzwischen als Chef des Züricher Unternehmens „Boutique Football“ (Handelsregistereintrag: „Grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen (zur) Betreuung von Investoren beim Erwerb und Handel von Besitzrechten an Fußballklubs“). Und dann und wann stellt er laut eigener Internetseite seine geballte journalistische Unabhängigkeit der „Neuen Zürcher Zeitung“ als Autor zur Verfügung; zuletzt im Sommer, das Thema war Roman Abramowitsch. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Zu Kaenzigs besten Entdeckungen für 96 gehört wohl Szabolcs Huszti, sauber abgewickelt hat er den Doppelwechsel Per Mertesacker/Frank Fahrenhorst.
Weniger erfolgreich für die „Roten“ war die Idee mit den Skandinaviern, die Neururer mal mehr, mal weniger in den Kram passten und inzwischen alle wieder weg sind. Ein ganz schönes Hin und Her – irgendjemand wird Nutznießer dieses Tohuwabohus gewesen sein, 96 war es sicher nicht.

Phase 2: Der Kurswechsel
Zum 4. Spieltag der Saison 2006/2007 übernahm Hecking das Team und etwas später zusammen mit Sportdirektor Hochstätter das Ruder, beide konnten sich alsbald über die herausragende Vertragsverlängerung Robert Enkes freuen. Streichergebnisse in dieser Transferphase waren der Brutto-Netto-Gag des Belgiers Thomas Buffel und der Kniefall des Finnen Mikael Forssell. Die Verpflichtungen von Thomas Kleine (aus der 2. Liga) und Gaetan Krebs (3. Liga) sowie Sergio Pinto gelangen praktisch in völliger Heimlichkeit. Selbst der Transfer von Nationalspieler Mike Hanke wurde erst knapp 90 Minuten vor seiner offiziellen Präsentation publik; ebenso die dafür fällige Transfersumme von wohl mehr als vier Millionen Euro – was trotz allen Jubels der „Roten“ über bislang fünf Saisontore viele Beobachter für überteuert halten.

Phase 3: Das Ende der Heimlichkeit
Hanke war ein Glücksfall. Spieler aus dem weiteren Glanzbereich der Nationalmannschaft sowie internationale Kicker mit Renommee können nämlich eigentlich nicht von einem Bundesligisten zum nächsten wechseln, ohne dass es darum ein Getöse gibt. Bei Benjamin Lauth und Christian Schulz war das für 96 allerdings kein Hindernis. Die Grenzen der eigenen Attraktivität zeigten 96 hingegen die umworbenen Peer Kluge (ging von Mönchengladbach nach Nürnberg), Leon Andreasen (nach Mainzer Ausleihe zurück nach Bremen) sowie Sebastian Boenisch (von Schalke nach Bremen). Dass Sergiu Radu zum VfL Wolfsburg ging, hing mit dem Wechsel Hankes aus der Autostadt nach Hannover zusammen. Mohamed Zidan hingegen dürfte 96 schlicht benutzt haben, um seine Verhandlungsposition beim Hamburger SV zu verbessern. Dass die „Roten“ auch dafür schon taugen, ist eine hinnehmbare Begleiterscheinung. Ob die Transferpolitik dieser Phase in der Rückschau eines Tages positiv bilanziert wird, hängt vor allem von zwei Faktoren ab: Spielt erstens Lauth auch am Ende der Saison noch so lausig, wird er als Fehleinkauf einzustufen sein. Und zweitens muss die schon zu Kaenzigs Zeiten vernachlässigte Linkshintenfrage zur Nachfolge Michael Tarnats geklärt werden – Schulz ist da ein Provisorium, aber nicht die Lösung.

Insgesamt stimmt die aktuelle Entwicklung Klubchef Martin Kind jedenfalls zufrieden: „Wir sind auf einem sehr guten Weg. Zwar noch nicht so stark wie gewünscht, aber auf jeden Fall handlungsfähig.“

„Handlungsfähig.“ Diese Vokabel hat bei Fans wohl nicht das Zeug zum Zauberwort, eine Verheißung ist sie dennoch. Kind klagt zwar einerseits diffus, dass eigentlich kein Geld da sei. Andererseits habe „die WM 2006 dem Klub Luft verschafft“. Sowohl den Haushalt, also das im Geschäft erwirtschaftete Geld, als auch das Kapital der Gesellschafter möchte Kind bald erhöhen, um die begonnene Entwicklung fortzuführen und „noch mehr bewegen zu können“. Außerdem ist sich Kind in einem sicher. Transfers wie der sommerliche „Dreierpack“ Hanke/Schulz/Lauth (geschätztes Transfervolumen: knapp sieben Millionen Euro) sollen „kein einmaliges Unterfangen sein“. Im Prinzip, so lässt sich der Klubchef entlocken, müsse es mit den großen Namen immer so weitergehen. Ismael wäre der Nächste. „Der Spieler will, wir wollen“, sagte Kind dazu gestern. Kind gibt sich optimistisch, und das will bei ihm in dieser Phase etwas heißen. Wieso aber eigentlich Valerien Ismael? Warum nicht Daniel van Buyten? Ist doch schließlich bald Weihnachten.

 

NEWSCENTER
RSS Feed
Fanartikel
Business
Arena
Datenschutz
Kontakt
Medien
Sitemap
Tickets
Navigation
Schließen