Dennis, seit einer Woche bist du in Hannover. Konntest Du Dich in der niedersächsischen Landeshauptstadt denn schon ein bisschen einleben?
Dennis Aogo: Jein. Soweit man das in so einem kurzen Zeitraum kann, würde ich sagen: Ja, total. Ich habe die Mannschaft kennengelernt, die war supernett. Ich habe Euch kennengelernt, das ganze Team drumherum. Das war alles sehr gut und fast schon besser, als ich es erwartet hatte. Aber die Stadt konnte ich natürlich noch nicht so richtig kennenlernen und eine Wohnung habe ich auch noch nicht gefunden. Da gibt es schon noch ein paar Sachen zu erledigen.
Du hast auch schon einige Trainingseinheiten mit den Jungs absolviert und auch zwei Testspiele bestritten: Letzte Woche gegen Werder Bremen und heute Vormittag gegen die U23. Hast Du denn das Gefühl, dass Du Dich in der Mannschaft schon so ein Stück weit eingefunden hast?
Dennis: Ja, doch. Also ich gehöre ja eigentlich schon zu den Menschen, die sehr offen sind. Deshalb wurde ich von der Mannschaft gut aufgenommen und ich habe versucht, mich schnell zu integrieren, was Stand jetzt, denke ich, funktioniert hat. Aber natürlich gibt es Abläufe auf dem Platz, die ein bisschen länger brauchen als nur eine Woche und ein paar Trainingseinheiten. Für den jetzigen Stand bin ich jedoch ganz zufrieden.
Du hast auf jeden Fall alle Voraussetzungen mitgebracht und bist topfit nach Hannover gekommen. Wie hast Du Dich jetzt eigentlich fit gehalten? Eine Sommervorbereitung hast Du ja mit keinem Club absolviert.
Dennis: Ich habe natürlich versucht, individuell so viel, wie ich machen kann, zu trainieren. Auch auf dem Platz mit einem Trainer, also fußballspezifisch, weil das doch noch einmal eine andere Belastung ist, als nur laufen zu gehen oder im Kraftraum zu sein. Trotz alledem spüre ich natürlich, dass Mannschaftstraining und die Spiele eine andere Belastung sind. Deshalb gebe ich mir schon ein bisschen mehr Zeit, um fit zu werden, als vielleicht das Umfeld. Trotzdem will ich auch kurzfristig der Mannschaft helfen und zur Verfügung stehen. Das ist so der Spagat, in dem ich mich gerade befinde, aber, wie gesagt, bin ich Stand jetzt eigentlich sehr zufrieden.
Jetzt wusstest Du ja im Sommer gar nicht, ob es für Dich weitergeht, zu welchem Club es geht und, ob Du überhaupt einen Club findest, der sich mit Deinen Vorstellungen deckt. Wie hast Du Dich motiviert, zu trainieren und Dich den Sommer über fit zu halten?
Dennis: Mit der großen Vision, wieder in so einem Stadion hier stehen zu dürfen und mit einer Mannschaft um Erfolge zu kämpfen. Wenn ich diesen Traum nicht mehr gehabt hätte, dann wäre es schwer gewesen, erstens, mich jeden Morgen aus dem Bett zu holen und zweitens wäre es dann vielleicht an der Zeit gewesen, die Schuhe an den Nagel zu hängen. Diese Zeit, die ich jetzt hinter mir habe, hat mir wirklich noch einmal richtig gezeigt, dass es bei mir von der inneren Motivation her noch lange nicht soweit ist und ich noch total Bock habe, Fußball zu spielen. Deshalb habe ich mich gefreut, dass es mit Hannover geklappt hat, ich jetzt hier bin und hoffentlich am Wochenende hier mit der Mannschaft feiern darf.
Am vergangenen Wochenende war ja spielfrei und ihr hattet auch trainingsfrei. Trotzdem konnte man auf Instagram sehen, dass Du im Kraftraum warst. Wie wichtig ist Dir die körperliche Fitness allgemein?
Dennis: Schon sehr wichtig. Zwei Tage am Stück frei zu machen, gibt es bei mir eigentlich gar nicht. Ein Tag geht dann schon, weil ich glaube, dass Erholung teilweise genauso wichtig ist wie einzelnes Training an sich. Aber ich versuche, immer noch zusätzlich ein bisschen an mir zu arbeiten - gerade jetzt in der Phase, wo ich noch ein wenig was nachholen muss. Die Jungs haben schon sechs Spiele gehabt, drüber hinaus noch die Vorbereitung, die sind mir also gut zwei Monate voraus. Da muss ich schon schauen, wie ich das ein bisschen aufholen kann, um dann auch schneller in meine Topform zu kommen und bestmöglich helfen zu können.
Ich bin sogar noch besser informiert und weiß, dass Deine Frau Ina, die aktuell in den Medien sehr präsent ist, mehr Instagram-Follower hat als Du. Nagt das an Dir oder ist das in Ordnung?
Dennis: Nein, das ist komplett in Ordnung. Wir haben schon manchmal die Diskussion, wo ich sage: ‚Ok es ist unglaublich. Ich bin 15 Jahre Profi und irgendwie ein Teil der Öffentlichkeit‘ und sie macht da ab und zu mal ein paar Videos, zeigt ihr Leben und hat jetzt schon wesentlich mehr als ich. Das ist komisch, aber ich gönne es ihr natürlich, weil ich auch glaube, dass sie ein großes Talent hat, ein bisschen diesen Entertainment-Faktor mit hineinbringt, Spaß daran hat und deshalb unterstütze ich sie mehr, als dass ich jetzt neidisch bin auf ihre Follower.
Ihr gebt ja auch von Eurem Privatleben relativ viel preis. Andere Personen, die so in der Öffentlichkeit stehen, behalten das ja manchmal lieber für sich. Warum habt Ihr Euch entschieden, das so zu teilen?
Dennis: Ja, die Frage bekommen wir wirklich oft gestellt. Das Lustige ist, dass es bei uns gar keinen Plan gibt. Also wir haben keinen Plan, wo das Ganze hinführen soll und was uns das bringen soll, sondern wir sind sehr spontane Menschen und auch irgendwie von unseren Gefühlen getrieben. Wir haben uns irgendwann mal entschieden: ‚Ok, lass uns das doch machen, vor allem sie. Sie zeigt ja relativ viel, es macht ihr Spaß und es ist ein bisschen Abwechslung zum ‚Mutter-sein’ im Alltag. Ich sage ihr immer, solange sie das nicht einschränkt, dann versuche ich, sie sich auch entfalten zu lassen, weil ich glaube, dass das auch wichtig ist für eine Beziehung. Deswegen sprechen wir auch über viele Dinge, bevor sie sie macht. Aber wenn wir beide das Gefühl haben: ‚Ja, warum nicht? Was hat das jetzt für einen Nachteil für uns?‘, sondern im Gegenteil, wenn es ihr Spaß macht, dann lass uns das einfach machen und hinterher gucken, ob es gut oder schlecht war. Das kann man ja dann immer noch regulieren. Aber sich vorher alles irgendwie vorzustellen: ‚Wo führt das hin? Wo wollen wir hin?‘, das sind wir nicht und das ist jetzt auch nicht unser Fokus.
Lass uns zum Sportlichen zurückkommen: Dennis Aogo kennt in Fußballdeutschland ja wirklich jeder. Du hast schon für den SC Freiburg, Hamburger SV, Schalke 04, zuletzt für den VfB Stuttgart und jetzt für Hannover 96 gespielt. Was hat den Ausschlag gegeben, dass Du jetzt für 96 aufläufst?
Dennis: Du hast es ja gerade schon so ein bisschen aufgezeigt. Meine Stationen waren immer sehr große und spannende Vereine, mit einer großen Tradition, mit einer großen Fangemeinschaft, auch mit sehr viel Potenzial in der Region und Einfluss auf die Menschen dort. Du hast es vorhin schon angeschnitten, dass es mir wichtig ist, dass die Voraussetzungen so sein müssen, dass es für alle passt. Also ich wäre jetzt niemals derjenige gewesen, der von heute auf morgen nach China oder wo auch immer geht, weil das eben nicht die Vorstellung ist, die ich habe und die wir als Familie haben. Und hier hat das super gepasst. Wir sind nicht weit weg von Berlin, wo unser Hauptlebensmittelpunkt ist. Und die sportliche Situation hat mich total gereizt. Ich habe hier ja schon etliche Male gespielt und weiß, was hier los sein kann, wenn man guten Fußball spielt. Deshalb hat das Gesamtpaket super gepasst und ich freue mich echt, hier zu sein, hier sein zu dürfen und dann endlich auch auf dem Platz loslegen zu können.
Wir haben jetzt auch schon darüber gesprochen, dass Du seit 15 Jahren Fußballprofi bist. Du bringst natürlich wahnsinnig viel Erfahrung mit. Wie willst Du diese Erfahrung hier einbringen?
Dennis: Ja natürlich in Gesprächen. Also ich bin jetzt nicht derjenige, der sich à la Oliver Kahn die Spieler auf dem Platz packt und wachrüttelt. Natürlich kann es auch mal vorkommen, dass ich glaube, dass es wichtig ist, ein Zeichen zu setzen. Aber ich bin, wie ich bereits gesagt habe, ein sehr umgänglicher und offener Typ und ich werde schon auch versuchen, in Einzelgesprächen dem ein oder anderen zu sagen: ‚Hey, so sehe ich das vielleicht.‘, oder ihnen Tipps zu geben, gerade in Situationen wie jetzt, wo man vielleicht nicht so gestartet ist, wie sich das alle gewünscht haben. Solche Situationen habe ich natürlich schon etliche Male durchlebt und ich glaube, zu wissen, wie man an die Sache herangehen kann und auch muss. Das ist keine Garantie, aber trotzdem möchte ich die Erfahrungswerte gerne an die Spieler weitergeben, wenn sie dafür offen sind. Und in allererster Linie will ich natürlich meine Leistung bringen. Das ist das Wichtigste, und ich glaube, das ist auch das Wichtigste, was man weitergeben kann, indem man erstmal Leistung bringt und dann versucht, die anderen mitzunehmen. Die andere Reihenfolge ist immer schlecht, wenn man sportlich selber hinterherhängt und dann versucht, noch Einfluss zu nehmen. Und deswegen will ich mich auch erstmal darauf konzentrieren, dass ich hier erst einmal richtig ankomme, auch sportlich richtig ankomme und versuche, auf dem Platz zu helfen. Alles Weitere kommt dann peu à peu dazu.
Du bist jetzt 32 Jahre. Hast Du Dir schon einmal Gedanken gemacht, wie lange Du noch Fußball spielen möchtest?
Dennis: Ganz oft sogar. Es hätte ja auch durchaus sein können, dass ich nicht die Chance bekomme, nochmal bei so einem tollen Verein zu spielen. Dann hätte ich mich zwangsläufig in den nächsten zwei, drei vier Monaten mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Trotzdem habe ich jetzt keine Angst, was danach kommt. Ich denke, da gibt es ein paar Möglichkeiten. Ich will die Zeit aber noch voll genießen, ich weiß es sehr zu schätzen, Fußballprofi zu sein - mit allem, was dazu gehört -, und ich will schon versuchen, das so lange wie möglich auszukosten und mich dann erst auf die zweite Karriere konzentrieren.
Schauen wir zum Abschluss einmal auf unseren kommenden Gegner. Am Samstag ist Arminia Bielefeld hier zu Gast in der HDI Arena. Wie sehr freust Du Dich auf das Spiel und was erwartest Du für eine Partie?
Dennis: Ich freue mich natürlich total und es ist dann doch auch für mich aufregend. Viele werden vielleicht denken: ‚Der hat schon so viel erlebt‘, aber ich bin jetzt in einem neuen Umfeld. Natürlich hat man auch gewisse Erwartungen an mich, ich habe Erwartungen an mich, und deswegen ist es eine aufregende Situation. Es wird sicherlich auch ein aufregendes Spiel und ich hoffe, dass ich auf dem Platz stehen kann, auch von Anfang an. Das wird dann der Trainer entscheiden, ob er mich schon so weit sieht, dass ich anfange. Und was erwarte ich? Ich glaube, dass wir gerade in einer Situation sind, wo es nicht darum geht, dass wir jede Mannschaft aus dem Stadion schießen müssen. Sondern es wird wichtig sein, dass wir jetzt Punkte sammeln und alles Weitere kommt dann über mehr Vertrauen, über mehr Selbstbewusstsein. Und deshalb ist es mir eigentlich völlig egal, wie die Partie ist, sondern die Hauptsache ist, wir gewinnen am Ende die Partie und nehmen das Vertrauen und die Motivation dann mit in die nächsten Spiele.
Dennis, vielen Dank für das tolle Gespräch!