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"Mein Job ist es, es Marcus Mann so einfach wie möglich zu machen"

Er unterstützt 96-Sportdirektor Marcus Mann mit seinem Team bei der Zusammenstellung des 96-Profikaders: Seit Anfang 2022 fungiert Maximilian Lüftl als Chefscout unserer Roten. Im Interview verrät er, wie Neuzugänge ausgesucht werden, was neue 96-Spieler mitbringen müssen und wie ihn seine Laufbahn, die beim FC Bayern München begann, geprägt hat.

/ Profis
96-Chefscout Maximilian Lüftl (Foto: 96/Kaletta)

Max, ist Dir eigentlich bewusst, dass Du mit Deinen 29 Jahren wahrscheinlich der jüngste Chefscout im deutschen Profifußball bist?

Maximilian Lüftl (29):
Ich denke darüber nicht tagtäglich nach, aber natürlich reflektiere ich von Zeit zu Zeit und weiß all das schon sehr zu schätzen – überhaupt im Fußball arbeiten zu dürfen, dann auch noch bei einem großartigen Klub und in recht jungen Jahren in einer verantwortungsvollen Position. Wenn du vor dem Spiel die Fans mit ihrem Schal siehst und weißt, es stehen gleich Jungs auf dem Platz, bei denen du deinen Anteil hast, dass sie hier sind, das erfüllt dich schon. Und dann weißt du auch, warum du das machst.

Du hast einen spannenden Werdegang – mit einem Einstieg direkt beim deutschen Rekordmeister. Wie kam es dazu, dass Du deine Scouting-Laufbahn beim FC Bayern begonnen hast?

Lüftl:
Ich habe in den USA studiert und musste auch ein Praktikum absolvieren. Ich wollte immer in der Fußball-Branche arbeiten. Aufgrund der Nähe von München zu meiner Heimat habe ich mich beim FC Bayern beworben und schließlich im klassischen Bewerbungsgespräch wohl überzeugen können. Ich hatte vorher nie gesagt, ich möchte unbedingt Scout werden. Mit 23 Jahren konnte ich noch nicht sagen, wohin ich gehen möchte, dafür hatte ich zu wenig Berufserfahrung. Mit dem ersten Tag beim FC Bayern hat für mich dann diese Reise begonnen.

Ist es nicht unfassbar hart, die Laufbahn ausgerechnet beim FC Bayern zu starten, wo die allerhöchsten Ansprüche gelten?

Lüftl:
Für mich war es ein richtig guter Einstieg. Es stimmt: Der Maßstab war der höchste. Dadurch habe ich ein gutes Gefühl entwickelt, wie das High-End-Level aussieht. Wenn du dich immer auf das Beste fokussierst, lernst du relativ schnell. Wenn du Talente wie Jamal Musiala mit 16 oder 17 Jahren siehst, entwickelst du ein Gefühl, wie weit ein Spieler in diesem Alter sein kann. Das hat mich geprägt. Für mich war es ein Glücksgriff.

Du hast mit Persönlichkeiten wie Miroslav Klose als U17-Trainer, Sebastian Hoeneß als U19-Coach oder dem Sportlichen Leiter Hermann Gerland zusammengearbeitet. Wie hast Du als Jungspund Dir da Respekt verschafft?

Lüftl:
Am Ende kann man nur durch gute, saubere und zuverlässige Arbeit überzeugen. Man darf sich nicht zu wichtig nehmen, denen muss man nichts vom Fußball erklären. Sie merken schon, ob du etwas draufhast. Ich habe mich einfach zurückgehalten und meinen Job gemacht.

Wer hat Dich am meisten geprägt?

Lüftl:
Das war schon Hermann Gerland. Ich habe ihn in meiner Anfangszeit auch auf dem Platz unterstützt, da er öfter Individualtrainings gegeben hat. Er hat die Übungen angesagt, ich habe sie ausgeführt und gezeigt, wie sie funktionieren. Mit Gerland auf dem Platz zu stehen und zu sehen, wie er mit den unterschiedlichen Jungs auch total unterschiedlich umgeht, war sehr hilfreich. Manche brauchten Streicheleinheiten, manche aber auch scharfe Ansagen.

Deine eigentliche Aufgabe war aber das Nachwuchsscouting. Wie muss man sich das vorstellen?

Lüftl:
Ich habe für die Mannschaften der U15 bis U23 gescoutet. Ich habe mir alles querbeet angesehen, U-Nationalmannschaften, U17- und U19-Bundesligen und auch die Regionalligen für die U23. Da konnte es vorkommen, dass du am einen Tag beim FC Chelsea bist, um dir U-Nationalspieler wie Bright Arrey-Mbi oder Jamal Musiala anzusehen, und dann am nächsten Tag nach Memmingen fährst. Von dort haben wir damals beispielsweise einen Jannik Rochelt geholt, der heute bei der SV Elversberg spielt.

Beim FC Bayern wurdest Du übernommen, hättest sicherlich noch länger dortbleiben können, bist dann aber bewusst zum FC St. Pauli gegangen. Warum?

Lüftl:
Ich habe gedacht, für meine persönliche Entwicklung ist es ein guter Schritt, um meine Erfahrungen im Herrenbereich zu sammeln. Für den Job hier bei 96 war es auch extrem hilfreich, schon einmal im Herrenbereich gescoutet zu haben. Bei St. Pauli war ich für Süddeutschland, Österreich und die Schweiz zuständig.

Deine nächste Station war Hoffenheim, wo Du erstmals in einer koordinativen, leitenden Funktion tätig warst.

Lüftl:
Genau. Schwerpunkt waren die U17, U19 und U23. Dort war ich auch mehr als zuvor in die Kaderplanung involviert. Hoffenheim hat auch einen hohen Anspruch und will mit seiner Akademie in Deutschland zu den Top-Akademien gehören. Dort habe ich auch Marcus Mann kennengelernt.

Nun bist Du seit mehr als anderthalb Jahren Chefscout von Hannover 96. Wie eng ist der Austausch mit Sportdirektor Marcus Mann?

Lüftl:
Der Austausch ist sehr eng und vertrauensvoll. Ich weiß, dass ich mich zu 100 Prozent auf ihn verlassen kann und er sich auf mich. Mir ist es wichtig, ihn nicht mit Spielern aus dem Scouting vollzuladen, sondern eine engere Auswahl für eine bestimmte Position gezielt vorzubereiten. Ich werde nicht zu ihm gehen und sagen: "Hier sind 20 Spieler, such du einen aus." Mein Job als Chefscout ist es, es ihm so einfach wie möglich zu machen. Deshalb ist der Austausch eng. Ich versuche, ihm den Rücken freizuhalten und Vorarbeit zu leisten, damit dann qualitativ hochwertige Entscheidungen getroffen werden können.

Arbeiten eng zusammen: 96-Sportdirektor Marcus Mann und Maximilian Lüftl bei einer Trainingseinheit der 96-Profis (Foto: 96/Kaletta)

Bei Hannover 96 trägst Du erstmals die übergreifende Verantwortung fürs Scouting. Wie seid Ihr in dem Bereich organisiert?

Lüftl:
Wir haben klare Strukturen und Prozesse. Dienstags haben wir zum Beispiel immer alle eine gemeinsame Konferenz, in der jeder erzählt, wie das Wochenende abgelaufen ist. Dort schauen wir auch, was die folgenden zwei Wochen ansteht und teilen auf, wer welche Aufgaben übernimmt. Es gibt auch klare Absprachen darüber, wie Marcus Mann informiert wird, damit auch er im Bilde ist. Darüber hinaus telefoniere ich viel mit unseren Scouts, die hier nicht vor Ort sind.

Hannover 96 hat den Altersschnitt über die vergangenen zwei Transferperioden deutlich gesenkt. Kamen Dir bei den Verpflichtungen der vergangenen beiden Sommer Deine Erfahrungen als Nachwuchsscout zugute?

Lüftl:
Die Erfahrungen aus meiner Zeit bei Bayern und Hoffenheim haben mir definitiv geholfen. Ich glaube, dass ich in den vergangenen Jahren ein gutes Gefühl entwickeln konnte, wo ein Spieler steht und was man ihm noch zutrauen kann.

Nach welchen Parametern bewerten Du und Dein Team denn, ob ein Spieler für Hannover 96 interessant ist?

Lüftl:
Das passiert positionsspezifisch. Die Messlatte ist immer die eigene Mannschaft und Liga. Dann sucht man sich Benchmarks und schaut, ob ein Spieler uns etwas geben könnte, was wir aktuell noch nicht haben, ob er ins Mannschaftsgefüge passen könnte und welche Entwicklung man ihm zutrauen kann.

Wenn ein Spieler in Euer Blickfeld gerät, wie wird er dann gescoutet?

Lüftl:
Es ist eine Kombination aus vielen verschiedenen Dingen. Dazu gehört das Live-Scouting. Der Trend geht ja eher dahin, Videodaten zu nutzen, aber wir sprechen über Menschen und wir sind der Überzeugung: Menschen muss man live erlebt haben. Das, was wir live sehen, versuchen wir dann im Team über Daten und über das Video-Scouting nochmal abzugleichen. Oftmals schaue ich mir ein Spiel im Stadion an und gucke dann drei, vier Tage später nochmal alle Szenen eines Spielers im Video an. Da fällt mir dann auch mal etwas auf, das ich im Stadion anders wahrgenommen habe. Daten und Videosequenzen unterstützen im Nachgang einfach die Live-Wahrnehmung.

Welche Rolle spielen Charakter und Persönlichkeit eines Spielers?

Lüftl:
Der Charakter eines Spielers ist immer elementar. Es ist sehr wichtig, dass wir Jungs ins Team holen, bei denen wir das Gefühl haben, dass sie gut reinpassen. Wir wollen Jungs verpflichten, die Lust haben, weiterzukommen, und Lust haben, für 96 zu spielen und hier etwas bewegen wollen.

Über welche Wege holt Ihr Euch Informationen, um bestmöglich sicher zu gehen, dass das erfüllt ist?

Lüftl:
Am Ende ist es auch wieder eine Mischung. Wenn man einen Spieler nur via Daten bewertet, kann man einen Charakter nur schwer einschätzen. Deshalb ist es so wichtig, sich ihn live anzuschauen. Man kann auch mal ein Training besuchen, um zu sehen, wie er beispielsweise mit Mitspielern umgeht. Zudem steht man natürlich auch mit Menschen in Kontakt, die den Spieler kennen, beispielsweise ehemalige Mitspieler oder Trainer, damit man irgendwann ein vollständiges Bild bekommt. Dazu schaue ich mir auch immer das Instagram-Profil an, um zu sehen, wie er sich präsentiert, was für ein Auftreten er dort hat.

Wenn Ihr einen Spieler beobachtet, wie verschriftlicht Ihr Eure Sichtungen?

Lüftl:
Wir haben eine klare Struktur, wie ein Bericht auszusehen hat. Wir fangen an mit den Eckdaten, beschreiben dann die Parameter Physis, das Spiel mit und gegen den Ball. Und letztendlich kommt das Fazit bzw. die Handlungsempfehlung. Wenn wir einen Spieler einordnen, dann beschreiben wir immer den Ist-Zustand und das Potenzial. Deshalb ist Scouting auch ein fortlaufender Prozess. Ein Spieler, den ich heute sehe, kann im März einen großen Schritt gemacht haben.

Abschließend noch eine Frage, auf deren Antwort wir wirklich sehr gespannt sind: Wie viele Fußballspiele schaust Du im Jahr?

Lüftl:
Viele. (lacht) Ich würde sagen, dass ich im Schnitt an 90 bis 110 der 365 Tage im Jahr im Stadion bin. Da ich auch mal mehrere Spiele an einem Tag schaue, sind es am Ende bestimmt 120 bis 140 Spiele.

Und per Video?

Lüftl: Da sind wir am Ende wohl bei 200. Aber das mache ich sehr, sehr gerne.

Vielen Dank für das Gespräch!

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