Trio hinter dem Erfolg
Die 96-Mitarbeiter Ralf Blume, Björn-Niclas Pabel und Markus Witkop arbeiten seit Beginn der Saison 2007/08 unauffällig im Hintergrund des Bundesligateams. Sie rücken erst dann ins Blickfeld der Öffentlichkeit, wenn die TV-Kamera einmal an der Ersatzbank entlangfährt und dabei dann schließlich bei den Physiotherapeuten ankommt. Oder dann, wenn bei einer Verletzung einer des Trios gemeinsam mit Teamarzt Dr. Wego Kregehr an der Seitenlinie bereitsteht, um die Erstversorgung auf dem Spielfeld vorzunehmen. Dabei ist dann neben dem großen Medizinkoffer mit Salben und Verbandsmaterial auch der rote Eiskoffer, dessen Inhalt aber keine Wundermittel enthält, sondern lediglich Eiswasser, Schwämme und Getränke. „Im ersten Moment hilft feuchte Kühlung – wir verwenden kein Eisspray aus der Sprühdose, Schmerzmittel oder gar Voodoozauber,“ räumt Ralf Blume lachend mit weit verbreitetem Irrglauben auf.
Da Fußballer während der 90 Minuten auf dem Platz viel Adrenalin im Körper produzieren, ist ihr Schmerzempfinden während eines Spiels geringer als bei Nicht-Leistungssportlern.
„Auf dem Platz beurteilt Dr. Kregehr die Art und Schwere der Verletzung. Besteht die Möglichkeit das der betroffene Spieler weiterspielen kann oder nicht? In der Regel stellen sich zum Glück die meisten Verletzungen als nicht so gravierend heraus und nach kurzer Behandlung können die Aktiven weiterspielen. Daher beginnt unsere wichtigste Tätigkeit am Spieltag erst nach dem Abpfiff,“ beschreibt Markus Witkop, der in seiner Jugend in der Handball-Oberliga in Hameln gespielt hat, den Job in der medizinischen Abteilung hinter den Kulissen.
Optimale Erholung
„Das Regenerationsprogramm beginnt für unsere Spieler bereits unmittelbar nach dem Schlusspfiff und wir als Physio-Team helfen unseren Spielern diesen Prozess optimal zu gestalten“, erklärt Ralf Blume die sofort nach Spielende beginnende Routine. „Bis zur vollen Regeneration dauert es bis zu zweieinhalb Tage, wobei diese Zeit je nach Körperstruktur, Körpergröße und persönlicher Fitness unterschiedlich ausfällt.“ Zur optimalen Erholung gehört natürlich auch der Faktor Ernährung. Nach dem Spiel oder Training ist das Ernährungsfenster eines Spielers weit geöffnet und schließt sich innerhalb der nächsten 120 Minuten immer mehr. Daher kümmern sich die Physiotherapeuten gemeinsam mit Teambetreuer Thomas Westphal und Zeugwart Michael „Mille“ Gorgas auch um eine ausgewogene und vitaminreiche Ernährung sowie die schnelle Zufuhr von Eiweiß, Kohlenhydraten, Mineralien und Spurenelementen, nicht zu vergessen eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme, denn pro Spiel schwitzt ein Spieler bis zu drei Liter Flüssigkeit aus.

Flüssigkeitsversorgung: Markus Witkop, Björn-Niclas Pabel und Ralf Blume
„Falls sich ein Spieler während des Spiels doch ernsthaft verletzt haben sollte, dann versuchen wir in Abstimmung mit Teamarzt Dr. Kregehr die Verletzung so schnell, gut und umfassend wie möglich mit allen uns zur Verfügung stehenden manuellen oder apparativen Möglichkeiten zu behandeln oder stellen sofort den Kontakt zu Spezialisten her, damit die Verletzung genauer diagnostiziert wird und alle nur denkbaren Maßnahmen für den Heilungsprozess sofort eingeleitet werden können,“ so Markus Witkop.
Moderne Methoden
Damit aber die Verletzungsgefahr schon im Vorfeld weitestgehend minimiert werden kann, sorgt das gesamte Trainerteam und die Physiotherapeuten dafür, dass im Training und beim individuellen Fitnessprogramm der Spieler viele Übungen auf dem Programm stehen, die dem Erhalt und der Verbesserung von Gelenk- und Muskelstrukturen dienen, sowie die allgemeine Leistungsfähigkeit und die Beweglichkeit der Spieler optimiert wird. Wer glaubt, dazu nutzen die Spieler und die Physios nur die weithin bekannte Massage, der irrt gewaltig. „Die Entlastungsmassage gibt es auch heute noch – aber vielmehr sind heute Funktionelles Training, Pulsgürtel, Laptops, Ernährungswissenschaft, Osteopathie und gezielte Regeneration als Stichworte gefragt. Diese neuen Tätigkeitsfelder sind für klassische Masseure Begriffe aus einer neuen Zeit“, sagt Ralf Blume, der 1995 bei der A-Jugend von Hannover 96 unter den Trainern Jürgen Stoffregen und Mirko Slomka im Fußball begonnen hat, das moderne Arbeitsumfeld. „Die Gesundheit ist das Kapital aller Spieler und auch des Vereins. Daher gehen die heutigen Profis in Zeiten von immer intensiver werdenden Spielen und den damit verbundenen stetig steigenden körperlichen Anforderungen nicht nur selbst verantwortungsbewusster mit Ihrem Körper um, sondern auch die Vereine verstärken ihre Anstrengungen in diesem Bereich. Wir freuen uns daher über die Zusammenarbeit mit Leistungsdiagnostiker Ingo Geissler in der neuen Saison,“ blickt Ralf Blume in die Zukunft.
Anerkennung vom DFB-Fachmann
„Wir als Physioteam von 96 verstehen uns als ein Glied in der sportlichen Kette, bei der jeder das Beste gibt", sagt Markus Witkop. Lob gibt es für die 96-Mitarbeiter auch vom DFB-Fachmann Oliver Schmidtlein in einem FAZ-Interview. „Seit der WM 2006 hat sich in der Bundesliga viel getan. Wir vom DFB sind viel unterwegs, schauen, was passiert da eigentlich, was ist da los in den Vereinen Ich habe mich mit den Kollegen von Hannover 96 getroffen, ein junges Team mit tollen Leuten, die hervorragende Arbeit machen,“ lautet das Urteil aus berufenem Munde.
Anno 2008 ist die physiotherapeutische Abteilung von 96 vergleichbar mit einem komplexen, interdisziplinären Therapiezentrum. „ Es gibt Therapiepläne und eine lückenlose Behandlungsdokumentation, um über alle Spieler umfassend informiert zu sein – und natürlich eine hervorragende Ausstattung mit High-Tech-Diagnose- und Trainingsgeräten. Täglich wird zusammen mit dem Trainerteam und dem Mannschaftsarzt eine ausführliche Kommunikation gepflegt, um über den Leistungsstand jedes einzelnen Aktiven genau im Bilde zu sein. Während Ralf Blume und Björn-Niclas Pabel ausschließlich den Spielern von Hannover 96 zur Verfügung stehen, arbeitet Witkop mit seinem Spezialwissen zu. „Ich stehe den Spielern mit meiner osteopathischen Zusatzausbildung nach einem fest terminierten Behandlungsplan sowie bei akuten Problemen zur Verfügung“, erklärt der gebürtige Hamelner Witkop die Arbeitsteilung.
Komplexer Tagesablauf
Der aus einer Barsinghausener Physiotherapeutenfamilie stammende Ralf Blume schildert den typischen Tagesablauf: „ Zwei Stunden vor dem Training sind im Regelfall Björn-Niclas Pabel und ich bereits im Kabinentrakt. Wir beginnen dann mit der Behandlung von angeschlagenen oder verletzten Spielern. Zusätzlich sorgen wir für die Therapieplanung und Koordination mit Fachärzten. Eine dreiviertel Stunde vor Trainingsbeginn beginnt dann die intensive Trainingsvorbereitung.“ Wie sieht diese aus? „Gemeinsam legen wir Tapes und Verbände an und führen mit einzelnen Spielern individuelle Aufwärmprogramme durch. Entweder Björn-Niclas oder ich gehen dann mit den Spielern auf den Trainingsplatz und versorgen das Team mit Mineralgetränken und stehen bei auftretenden Verletzungen sofort zur Verfügung. Der andere sorgt in der Zwischenzeit für die Behandlungsmaßnahmen von Spielern, die nicht am Trainingsbetrieb teilnehmen können und kümmert sich um die organisatorischen Arbeiten wie Dokumentation, Erstellung von Behandlungsplänen und Vereinbarung von Arztterminen. Nach dem Training behandeln wir die Spieler erneut“, erzählt Blume, der mit 21 Jahren nach einem Kreuzbandriss seine eigenen Fußballambitionen in der Bezirksklasse bereits beenden musste, über die Teamarbeit in den „Katakomben“ der AWD-Arena.
Am Abend vor den Spielen sind die beiden Physios stets dicht bei den Spielern. „Nach dem Abendessen beginnt unser Behandlungsplan. Angeschlagene Spieler bzw. Spieler, die sich noch behandeln lassen möchten, werden ganz individuell behandelt. Das dauert meist bis in den späten Abend hinein. Am nächsten Morgen geht für uns die Vorbereitung auf das Spiel los mit dem Anlegen von Verbänden, Tapes und der Durchführung von unterstützenden Maßnahmen,“ beschreibt Ralf Blume den Ablauf rund um die Spieltage des Teams von Trainer Dieter Hecking.
„Bei Auswärtsspielen kümmere ich mich zusätzlich um die Betreuung von verletzten Spielern in Hannover, die nicht mit dem Team reisen“, so Markus Witkop – von den Spielern „Witti“ genannt - den Ablauf der reibungslosen Spieltags-Organisation des 96-Physioteams.
Verschwiegen
Verschwiegenheit ist für alle drei Mitarbeiter natürlich oberste Priorität. „Wir sprechen mit niemandem Außenstehenden über die Spieler. Auch was wir von den Spielern erfahren, bleibt in unseren Behandlungsräumen“ umschreibt Ralf Blume, der im 96-Kabinentrakt „Ralle“ genannt wird, den sensiblen Umgang mit Informationen. Daher geben sie sich auch eher verschlossen, wenn es darum geht, zu erfahren, welche Verletzungen sie in ihrem ersten Jahr beim Profiteam der Roten persönlich am meisten berührt haben. „Schade war sicherlich, dass Richard Golz auf Grund seiner schweren Verletzung bei den Amateuren seinen erhofften letzten Bundesligaeinsatz im Spiel gegen Cottbus nicht mehr bekam“, gibt Markus Witkop dann nach langem Zögern doch noch sein persönliches Bedauern zum Ausdruck...
Derzeit gibt es wieder einmal genug zu tun für das Physioteam – schließlich ist Saisonvorbereitung – mit dem Ziel, die Schützlinge bis zum Saisonstart topfit zu bekommen. In den Trainingslagern kommt das Trio locker auf einen 14-Stunden-Tag – jeder von ihnen. „Was die drei hier in Velden von morgens bis abends leisten, ist schon aller Ehren wert“, ließ es sich Cheftrainer Dieter Hecking während der Zeit in Velden nicht nehmen, gegenüber den anwesenden Pressevertertern ein Sonderlob für das Trio auszusenden. Schnell jedoch geht es wieder vom kurzzeitigen Rampenlicht zurück in den Hintergrund. Ralf Blume, Björn-Niclas Pabel und Markus Witkop werden dort wieder intensiv daran mitarbeiten, dass sich der erhoffte sportliche Erfolg einstellt…
dk