NIEMALSALLEIN

Hannover genießt den Stargastauftritt des AC Mailand, für 96 ist der heutige Abend aber schön und gefährlich zugleich

 

Selbst die sachlich-nüchterne Deutsche Presse Agentur konnte gestern nicht anders und fing ihren Vorschaubericht auf das heutige Freundschaftsspiel zwischen Hannover 96 und dem AC Mailand mit folgendem Satz an: „Hannover im Beckham-Rausch: Der englische Glamour-Kicker und die anderen Stars des AC Mailand elektrisieren die niedersächsischen Fußballfans.“

Es ist ja auch tatsächlich verrückt: Da gibt Hannover 96 vergangene Woche kurzfristig bekannt, dass der 17-fache italienische Meister ein Gastspiel in der AWD-Arena geben wird, und am nächsten Morgen um 8 Uhr stehen die Menschen Schlange vor dem Stadion; am Abend hat der Klub 17 000 Karten verkauft. 40 000 Zuschauer werden es heute im berauschten Hannover mindestens werden. Angesichts dieser Zahl sollte man sicherheitshalber noch einmal darauf hinweisen, dass sich 96 nicht kurzfristig die Teilnahme am UEFA-Cup gesichert hat. Die Partie heute ist ein Freunschaftsspiel zwischen einer Mannschaft (96), die in der Vorbereitung auf die Bundesliga-Rückrunde steckt, und einer Mannschaft (AC Mailand), die zwischen den Serie-A-Begegnungen gegen Florenz (1:0) und kommenden Sonntag in Bologna mal für ein paar Stunden in Hannover vorbeischaut. Es ist für 96 das wichtigste unwichtige Spiel des Jahres.

Das außerhalb von Hannover staunend registrierte Interesse an dem Mailand-Auftritt zeigt laut 96-Klubchef Martin Kind, „dass Hannover hungrig nach Fußball ist“. Doch Hannover ist nicht hungrig nach Fußball, wie ihn die Mannschaft in der Hinrunde gespielt hat, das war eher ein erstklassiges Diätprogramm, ein Appetitbremser. Kind und die Profis bekommen noch einmal vor Augen geführt, wie sehnsüchtig die Fußballfans in der Region nach internationaler Atmosphäre sind. Und Trainer Dieter Hecking erfährt noch einmal schmerzlich, wie leichfertig es war, den Anhängern im vergangenen Mai eine Art Europacup-Versprechen zu geben. Diese Sehnsucht nach Mailand oder Madrid ist nämlich so groß, dass jedes leere Versprechen übel genommen wird.

Der Mailand-Rausch zeigt zugleich, wie klein Hannover 96 im Vergleich noch ist. Wie ein bewundernder Fan sagt zum Beispiel Verteidiger Mario Eggimann: „Bei Mailand sind Spieler dabei, denen man gerne zuschaut und sagt: ,Das hat der klasse gemacht.‘ Das Zuschauen macht Spaß, aber gegen diese Stars zu spielen, ist noch schöner.“ Geschafft hat es der Verein erst, wenn Duelle wie gegen Mailand nichts Besonderes mehr sind, wenn die Menschen in der Region nicht mehr sagen: „O, Wahnsinn! Der Beckham kommt.“ Sondern: „Den lahmen Beckham und seine olle Startruppe hauen wir weg.“ Und 96 muss gar nicht weit nach Osten schauen, um zu erkennen, dass der Verein von anderen auf dem Weg nach Europa bereits überholt worden ist. Der VfL Wolfsburg hat erst vor vier Wochen gegen den AC Mailand gespielt. Der niedersächsische Rivale musste „Milan“ nicht zu einem Test überreden, er reiste nach Mailand, weil es das Los im UEFA-Cup-Wettbewerb so wollte. Und er holte dort ein beachtliches 2:2. Im Februar spielt Wolfsburg gegen Paris St. Germain, 96 wird gegen Gegner mit diesem Klang auch bis mindestens Mai 2010 nur in aller Freundschaft spielen.

Sportlich birgt der heutige Abend durchaus Gefahren, gerade für einer dem Selbstgefälligkeits-Virus nicht abgeneigten Mannschaft wie Hannover 96. So kurios das klingt: Das Schlimmste, was in dieser Hinsicht passieren kann, ist ein leuchtender 3:0-Sieg wie im Juli 2007 gegen Real Madrid. Damals lachte Hannover über Real und feierte 96, doch am Ende der Saison wurde Madrid spanischer Meister, während die „Roten“ die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb verpassten.

AC Mailand heute Abend ist eine verdammt schöne Sache. Verdammt wichtig aber ist am 31. Januar ein Sieg gegen Schalke 04.

VON HEIKO REHBERG

 

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