NIEMALSALLEIN

96-Stürmer vor Rückkehr nach München / Bruder Nils hilft ihm, die rechte Orientierung zu finden

 

Ein paar mahnende Worte können nie schaden, und wenn es um Jan Schlaudraff geht, schon gar nicht. Der Ruf des schlampigen Genies eilte dem Stürmer auch bei seinem Wechsel vom FC Bayern nach Hannover 96 voraus. Und so gab es von Trainer Dieter Hecking neben all dem berechtigten Lob für Schlaudraffs klasse Auftritt beim 1:0 gegen Bayer Leverkusen auch die eindringliche Warnung, sich nur ja nicht auf diesen Lorbeeren auszuruhen. Schlaudraff und der Schlendrian: Das ist eine Kombination, die einen Trainer zur Weißglut treiben kann.

Zumal sie so gar nicht zu dem 25-Jährigen passen will, der kurz vor dem Spiel der „Roten“ bei seinem früheren Verein Bayern München zwar selbstbewusst, aber auch selbstkritisch über seine ersten Monate bei 96 spricht. Bislang sei die Saison für ihn „durchwachsen“ verlaufen, sagt Schlaudraff, der Mitte Januar an der Leiste operiert wurde und dem bereits sechs Wochen später das Comeback gegen Mönchengladbach gelang: „Es hätte besser laufen können – sowohl gesundheitlich als auch sportlich.“

Und weil da in der Hinrunde noch reichlich Spielraum nach oben war und sein Verhalten auf dem Platz nicht immer den Erwartungen entsprach, gab es wiederholt auch mannschaftsintern Kritik am Neuzugang vom FC Bayern. „Der Trainer und die Mannschaft legen sehr viel Wert auf mannschaftliche Geschlossenheit und Defensivarbeit. Da habe ich mich in der Hinrunde zu oft rausgezogen. Ich muss mir anlasten, dass ich oftmals den Kopf habe hängen lassen und die Körpersprache nicht die war, die sie sein sollte. Ich habe mir fest vorgenommen, das zu verbessern“, sagt Schlaudraff. Von der „menschlichen Seite“ habe es aber zwischen ihm und der Mannschaft nie ein Problem gegeben. „Das ist alles auch ein bisschen hochgekocht worden“, sagt der 96-Stürmer, der sich selbst als „absolut kritikfähig“ bezeichnet.

Viel zu kritisieren gibt es am bisherigen Saisonverlauf der „Roten“. Natürlich hatte sich auch der 25-Jährige nach seinem Wechsel von München nach Hannover mehr erhofft. In das große Klagelied von Pech und Verletzungen mag Schlaudraff jedoch nicht einstimmen, er beurteilt die Situation differenzierter. „96 hat in der vergangenen Saison absolut am Limit gespielt, durch die Neuzugänge wurden die Erwartungen dann noch höher. Es ist immer schwieriger, Erwartungen zu erfüllen als Überraschungen zu schaffen. Jetzt spielen wir unter unseren Möglichkeiten“, meint Schlaudraff. In beiden vergangenen Jahren sei es immer nur nach oben gegangen. Da sei es logisch, dass auch irgendwann einmal eine schwierige Phase komme, sagt der Angreifer. „Jetzt ist es ganz wichtig, diese Phase unbeschadet zu überstehen.“

Ein Sieg oder zumindest ein Punkt im morgigen Spiel beim FC Bayern (15.30 Uhr) würde dabei helfen. Dass 96 ausgerechnet beim Meister seine katastrophale Auswärtsbilanz mit dem ersten Sieg aufpoliert, ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber auch nicht ausgeschlossen. „Wir müssen sehr diszipliniert sein und dürfen nicht zu tief stehen, damit wir Luca Toni und Miroslav Klose vom Strafraum fernhalten“, lautet der Ratschlag von Schlaudraff für die Partie gegen seinen ehemaligen Klub. Besonders beeindruckt hat ihn während seiner Saison in München das Strafraumspiel von Toni. „Wenn er genügend Flanken bekommt, macht er garantiert seine Tore. Sein Kopfballspiel ist unglaublich“, sagt Schlaudraff. So einen Torgaranten könnte auch 96 gut gebrauchen, oder? „Nein“, meint Schlaudraff, in unserem System mit einer Spitze würden die Leute Toni nach 50 Minuten auspfeifen und seine Auswechslung fordern.“

Kontakte zu den Bayern hat der 96er auch heute noch. „Michael Rensing, Mark van Bommel und Miroslav Klose klingeln ab und an mal durch, wenn sie nach einem Spiel vom Flughafen nach Hause fahren. Früher sind wir gemeinsam gefahren, weil auch ich damals mit meiner früheren Freundin in Grunwald gewohnt habe“, erzählt Schlaudraff. Fußball sei dann jedoch nur kurz ein Thema. „Wir unterhalten uns über Gott und die Welt – und irgendeinen Blödsinn.“

Vielleicht reden die Profis dann auch über den Trainingsalltag, der sich doch sehr unterscheidet. „Bei den Bayern wird kaum normal trainiert wird, weil sie alle drei Tage spielen. Sonntag laufen die Spieler aus, Montag ist frei, und Dienstag bereiten sie sich schon auf das nächste Spiel am Mittwoch vor“, sagt Schlaudraff, der sich mittlerweile in Hannover gut eingelebt hat und sich hier „sehr wohlfühlt“. Der 25-Jährige wohnt in Isernhagen-Süd und unternimmt viel mit seinem Kollegen Bastian Schulz („So oft wie ,Basti‘ bei mir ist, muss ich ihm bald mal Miete abknöpfen“). Oder er macht wie am vergangenen Mittwoch eine Radtour mit seinem Bruder Nils, der ebenfalls in Hannover wohnt. Der 29-Jährige begleitete den Profi schon während seiner Münchener Zeit und ist für ihn eine „besondere Bezugsperson“. Ein älterer Bruder, der auch Freund ist und ein bisschen aufpasst, dass sich der Schlendrian nicht einschleicht – auch das kann nie schaden.

Neuer Rasen wartet: Jan Schlaudraff und seine 96-Mitspieler werden die nächste Heimpartie am kommenden Sonnabend gegen Borussia Dortmund auf frisch verlegtem Untergrund absolvieren. Von Montag an wird der ramponierte Rasen in der AWD-Arena ausgetauscht, dazu werden bis Donnerstag 2,40 Meter breite Soden verlegt, die aus den Niederlanden herbeigeschafft werden. Die Aktion – auch eine Folge davon, dass außer Bundesliga- auch Regionalligaspiele im Stadion ausgetragen werden – kostet 96 mehr als 100 000 Euro.

VON CHRISTIAN PURBS

 

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