NIEMALSALLEIN

Man glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Waren das wirklich die „Roten“? Für einen Moment wähnte man sich im falschen Stadion, bei der falschen Mannschaft.

 

Einfach unglaublich, wie wunderschön dieses Tor war. Wie herrlich es von Mikael Forssell und Jan Schlaudraff herausgespielt wurde, wie eiskalt Arnold Bruggink den Ball zum 1:0 im Frankfurter Netz versenkte. Solch einen Spielzug hatte es in der gesamten Bundesligasaison bei Hannover 96 nicht gegeben; und es waren gerade einmal acht Minuten gespielt. Man war geneigt, sich zurückzulehnen und ein wenig zu träumen: von aggressivem Angriffsfußball, von Sturmwirbel, von einer befreit aufspielenden Heimmannschaft … All das, was es trotz der grandiosen Heimbilanz in diesem Spieljahr fast nie gegeben hat.

Die Träumerei fand jedoch ein jähes Ende. Schnell wurde klar: Es war (leider) ein Fußballspiel in der AWD-Arena, und die eine anwesende, aber bald nicht mehr teilnehmende Mannschaft war Hannover 96. Und die stellte nach diesem einen magischen Moment das Spielen ein. Was folgte, war ein Querschnitt der vermaledeiten Saison, die den Fans so viel Geduld und Nachsicht abfordert. Und die „Roten“ schafften es sogar – man glaubt es kaum –, noch einen draufzusetzen. Zu der schon so oft erlebten Inaktivität kam, dass ein nicht unerheblicher Teil des Teams fortan die Arbeit nahezu gänzlich verweigerte. Lustlosigkeit hinten, im Mittelfeld und vorn. Dazu Disziplinlosigkeiten – ebenfalls in allen Mannschaftsteilen. Das Gebotene wurde zur Zumutung.

Und wäre die Eintracht nicht so naiv, so unvermögend im Umgang mit ihren Torchancen gewesen, hätte Schiedsrichter Günter Perl einmal auf Elfmeter statt nur auf Freistoß entschieden (66. Minute, nach Foul von Mario Eggimann an Martin Fenin) und auf Tor statt auf Abseits (39.) – dieses vorletzte Saisonheimspiel hätte zu einem Debakel werden können und wäre nicht 1:1 ausgegangen.

Allerdings beschränkten sich die Hessen auf einen einzigen Treffer, ein schönes Kopfballtor von Ümit Korkmaz (42.). Und auch dieser Ausgleich offenbarte die Unzulänglichkeiten, die ganze Gleichgültigkeit der 96-Mannschaft. Fenin hatte alle Zeit dieser Welt zum Flanken – Eggimann guckte aus entsprechender Entfernung immerhin interessiert zu –, und in der Mitte hielt sich Sergio Pinto vornehm zurück. Gängige 96-Devise: bloß keinen Körperkontakt, nur nicht stören. Korkmaz hatte leichtes Spiel. So wie viele seiner Mitspieler vor und nach ihm.

Was Mehdi Mahdavikia, Fenin, Alexander Meier oder Markus Steinhöfer vergaben, das spottete jeder Beschreibung und trieb Eintracht-Trainer Friedhelm Funkel verständlicherweise zur Weißglut. Und 96-Trainer Dieter Hecking? Der 45-Jährige verfolgte die Nicht-Leistung seiner Elf mit einer augenscheinlich stoischen Ruhe. Kein Wutanfall, kein wildes Gestikulieren, hinterher gab es gar noch entschuldigende Worte – und keine Reaktion. Totalausfall Mikael Forssell etwa durfte die 90 Minuten durchspielen, obwohl jeder sah, dass beim Finnen überhaupt nichts passte. Der 28-Jährige stand sich regelmäßig selbst im Weg und erlebte zeitweise dasselbe akustische Programm wie der derzeit verletzte Mike Hanke, der sich sonst als Alleinunterhalter im 96-Sturm versuchen darf: Die Fans pfiffen ihn aus.

Dabei befand sich Forssell bald in bester Gesellschaft. Das Pfeifkonzert, das es bereits zu Pause für das Gegurke der „Roten“ gegeben hatte, setzte nach einer Stunde Spielzeit wieder ein und steigerte sich merklich. Damit investierte mancher Fan auf den Rängen mehr als der eine oder andere 96-Profi auf dem Rasen.

VON JÖRG GRUßENDORF

 

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