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"Müssen und werden ein anderes Gesicht zeigen"

Im Interview mit hannover96.de spricht Mirko Slomka über das Nürnberg-Spiel. Außerdem erklärt der 96-Cheftrainer, warum in dieser Woche Selbstkritik, Leidenschaft und der unbedingte Wille, es besser zu machen, im Fokus stehen - und worauf es am Samstag in Dresden ankommt.

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"Ich war entsetzt": 96-Cheftrainer Mirko Slomka.

Mirko Slomka, in der Trainingswoche vor dem Spiel gegen Nürnberg hat nichts auf eine Leistung wie am Montagabend hingedeutet. Außerdem hatte die Mannschaft vorher in Kiel mit einem Sieg und 60 starken Minuten Selbstvertrauen getankt. Macht das die Suche nach Erklärungen für den Leistungseinbruch besonders schwer?

Mirko Slomka (52): Auf jeden Fall. Es gab wirklich im Vorfeld überhaupt keine erkennbaren Anzeichen, sonst hätten wir als Trainerteam sofort gegengesteuert. Es herrschte vielmehr eine richtig positive Stimmung durch den Rückenwind, den uns der Auswärtssieg in Kiel gebracht hatte.

Warst Du überrascht, dass die Mannschaft gerade nach dem zweiten Auswärtssieg in Kiel zu Hause so enttäuscht, und hast Du gedacht, dass die Mannschaft schon weiter in der Entwicklung ist?

Slomka: Überrascht trifft es nicht, ich war entsetzt. Wir wussten, dass Nürnberg ein starker Gegner sein würde. Wir haben auch das Kiel-Spiel nicht überbewertet, denn da war auch nicht alles gut. Aber ich bin davon ausgegangen, dass wir an die positiven Momente in Kiel anknüpfen, gerade bei einem Heimspiel vor unseren Fans am Montagabend.

Am Tag nach dem Spiel hast Du mit mehreren Spielern Einzelgespräche geführt. Konnten Dir die Spieler erklären, woran es gelegen hat, und helfen Dir diese Eindrücke bei der Vorbereitung auf das Spiel gegen Dresden?

Slomka: Komplett ergründen lässt es sich nicht, dazu spielen zu viele Facetten eine Rolle. Aber das frühe Gegentor war sicher eine von mehreren Ursachen, die dazu geführt hat, dass in diversen Köpfen die positive Grundstimmung und das Selbstvertrauen schlagartig weg waren und stattdessen ein schlechter Film mit dem negativen Erlebnis aus der letzten Heimniederlage gegen Bielefeld ablief. Das soll aber keine Entschuldigung sein, denn es bestand genug Zeit, um das Spiel zu drehen. Aber wir werden alles dafür tun, um die Köpfe der Spieler freizukriegen und ihnen positive Anker ins Gedächtnis zu rufen.

Laut Statistik hatte 96 gegen Nürnberg mehr Ballbesitz (77 Prozent), die besseren Zweikampfwerte (55 Prozent gewonnen), die bessere Passquote (84 Prozent, Nürnberg 52 Prozent), und mehr gelaufen ist die Mannschaft auch. Trotzdem steht am Ende eine verdiente 0:4-Niederlage. Wie passt das zusammen?

Slomka: Mit guten Werten alleine gewinnst du kein Spiel, wenn es nicht gelingt, die Prozentzahlen auch in Chancen, Abschlüsse und vor allem Tore umzusetzen. Der "Club" liegt bei allen Werten hinten, hat aber zwei Standards und zwei Konter eiskalt genutzt und zudem solide verteidigt. Das nennt man Effizienz - und davon können wir uns eine Scheibe abschneiden.

Standardsituationen waren in der Vorbereitung auf das Nürnberg-Spiel ein Schwerpunkt. Trotzdem sind den Nürnbergern zwei Tore nach Standards gelungen, auch im Test gegen Havelse fiel das einzige Gegentor nach einem Eckball. Warum können die Spieler diese Schwäche nicht abstellen, und was kann man dagegen tun?

Slomka: Wenn man diese Fehler auf Knopfdruck abstellen könnte, hätten wir deutlich weniger Probleme. Es ist ein Prozess, Dinge müssen sich einschleifen, Sicherheit muss wachsen. Das dauert leider. Wir können nichts anderes machen, als im Training intensiv an diesen Schwachpunkten zu arbeiten und die Sinne aller Spieler für die Situationen während des Matches maximal zu schärfen.

"Das war ein Tiefschlag ohne Vorankündigung in die Magengrube."

Die 96-Fans haben am Montag "Wir wollen Euch kämpfen sehen" gesungen. Findest Du den Vorwurf, nicht richtig gekämpft zu haben, berechtigt?

Slomka: Ein Aufbäumen hat man in der Tat nicht so feststellen können, wie die Fans sich das berechtigterweise vorstellen. Das hat die Mannschaft auch selbstkritisch eingeräumt. Insbesondere nach dem 0:3 zur Pause hätte in der zweiten Halbzeit deutlich mehr kommen müssen.

In der Schlussphase haben die 96-Fans das Europacuplied angestimmt und jeden angekommenen Pass bejubelt. Wie weh tut diese Häme, gerade weil die Fans die Mannschaft bis dahin bedingungslos angefeuert hatten?

Slomka: Das schmerzt natürlich und ist die Höchststrafe. Aber die Enttäuschung bei den Fans war verständlicherweise groß. Diese Schmerzen müssen für uns ein Ansporn sein, künftig alles dafür zu tun, um so etwas nicht noch einmal erleben zu müssen.

Die Mannschaft vermittelt den Eindruck, dass sie einen Rückstand schwer wegstecken kann. Wie kommt das und was kann man als Trainer den Spielern mitgeben, dass sie sich kurz schütteln und dann weiter an sich glauben?

Slomka: Die Mannschaft strotzt aktuell nicht vor Selbstbewusstsein, gerade zu Hause nach den bisherigen Ergebnissen. Der Druck, endlich mal wieder im eigenen Stadion zu gewinnen, ist bei jedem im Kopf, und wenn du dann sofort in Rückstand gerätst, wird der Rucksack noch einmal schwerer. Als Trainer kannst du der Mannschaft im psychologischen Bereich helfen, mit greifbaren Beispielen, wie schier Unmögliches gelungen ist, weil Mannschaften nicht aufgegeben und als Einheit zusammen gekämpft haben. Auch jeder einzelne Spieler hat in seinem Leben und seiner bisherigen Karriere Momente erlebt, in denen er etwas geschafft hat, das vermeintlich nicht zu schaffen war. Diese Erinnerungen müssen als positive Anker aktiviert werden, das geht nur in intensiven persönlichen Gesprächen.

Erklär doch mal, was es mit einem Team macht, wenn es wie 96 gegen Nürnberg nach drei Minuten bereits in Rückstand gerät und kurz vor der Pause das 0:3 kassiert? Ist man da auch als Trainer ein Stück weit ohnmächtig?

Slomka: Es ist ein echter Albtraum, so wie ich es nach dem Spiel formuliert habe. Du hast dich mit deinem Team akribisch tagelang auf das Spiel vorbereitet, hast einen Matchplan erarbeitet, diverse Optionen durchgespielt. Aber ein 0:3 zur Pause hatten wir uns nicht mal im allerschlechtesten Worst-Case-Szenario vorgestellt. Das war ein Tiefschlag ohne Vorankündigung in die Magengrube. Als Trainer bist du da einen Moment lang wirklich fassungslos, bis dann wieder die Ratio einsetzt und du nach Lösungen suchst. Leider haben die diesmal nichts mehr am Spielverlauf ändern können.

Gegen Dresden wird eine deutlich erkennbare Leistungssteigerung erwartet. Wie gehst Du mit diesem Druck um? Ist er Belastung oder Ansporn?

Slomka: Druck ist für einen Trainer normal, damit kann ich umgehen. Wir wollen, müssen und werden ein anderes Gesicht in Dresden zeigen. Die völlig zu Recht erwartete Leistungssteigerung erwarte ich ebenso und auch jeder Spieler von sich selbst. Der Auftritt gegen Nürnberg kann nicht der Maßstab dieser Mannschaft und dieser Spieler sein.

Worauf achtest Du in den Trainingstagen nach einem Spiel wie gegen Nürnberg, um am nächsten Samstag ein Team aufbieten zu können, das es deutlich besser macht?

Slomka: Selbstkritik, Leidenschaft und der unbedingte Wille, es besser zu machen, stehen im Fokus. Es müssen Spieler aufs Feld, die bereit sind, zu kämpfen und über ihr maximales Limit zu gehen, um einen Erfolg für 96 zu ermöglichen.

Was erwartet Hannover 96 in Dresden? Und was dürfen die 1500 96-Fans in Dresden für eine 96-Mannschaft erwarten?

Slomka: Uns erwartet im Stadion von Dynamo ein Hexenkessel. Zudem werden wir auf eine Mannschaft treffen, die nach der deutlichen Niederlage im Prestigeduell mit Aue genau wie wir auf Wiedergutmachung brennt. Ich bin sehr sicher, dass unsere Fans eine 96-Mannschaft erwarten können, die sich richtig reinhaut, um zu beweisen, dass sie Charakter hat.
hr

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