NIEMALSALLEIN

Bei 96 macht sich die Befürchtung breit, dass Robert Enke gehen wird, wenn ihn Bayern will.

 

Fußball ist ein globales Geschäft, viele Dinge sind miteinander verzahnt, und manchmal ist es so wie in der Wirtschaft, dass beispielsweise eine in China getroffene Entscheidung Auswirkungen auf eine kleine Stadt irgendwo in Deutschland haben kann.

Hannover ist eine große Stadt, eine Fußball-Bundesligastadt, die in den nächsten Tagen und Wochen möglicherweise die schmerzhaften Folgen einer Entscheidung zu spüren bekommt, die am Mittwochmittag in einem Hotelzimmer in Barcelona gefallen ist. Dort teilte Jürgen Klinsmann seinem Schlussmann und Stammtorwart Michael Rensing mit, dass er am Abend beim Champions-League-Spiel des FC Bayern München nicht im Tor stehen wird. Für Rensing war es „ganz ehrlich ein Schock“, dass der zehn Jahre ältere Jörg Butt plötzlich den Vorzug erhielt – die Schockwellen erreichten noch am Abend Hannover 96 und verebben bis heute nur langsam.

Man muss kein Experte sein, um sich das hannoversche Schreckensszenario auszumalen: Wenn der FC Bayern einen neuen Torwart für die nächste Saison sucht – und nichts anderes ist die Botschaft der Rensing-Demontage –, dann wird er getreu dem eigenen Selbstverständnis den Besten haben wollen. Und wenn man mal davon ausgeht, dass einer wie der wechselwillige Gianluigi Buffon (Juventus Turin) nicht erschwinglich sein dürfte, dann werden die Münchener zwangsläufig beim Besten in Deutschland landen. Und der steht derzeit bei Hannover 96 im Tor und heißt Robert Enke.

Die Bayern und Enke: Das Thema köchelt schon seit Monaten, mal mehr, mal weniger. Enkes Vertrag in Hannover endet zwar erst im Juni 2010, doch er selbst hat in der Vergangenheit wiederholt angedeutet, dass ein Wechsel bereits ein Jahr vorher für ihn denkbar ist. Und der Verein hat signalisiert, dass er seine Nummer 1 zwar unbedingt gerne halten würde, dass er – zahlungskräftige Kundschaft vorausgesetzt – ihr aber keine Steine in den Weg legen möchte. Ganz ohne Eigennutz ist das nicht: Geht Enke 2010, bekommt 96 keinen Cent. Geht er im Sommer, dürften die „Roten“ mit fünf bis acht Millionen Euro rechnen. Und weil die bisherige Bundesligasaison für den Verein nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich „mehr als unbefriedigend“ (Klubchef Martin Kind) verläuft, steht 96 unter Druck.

Die Grenzen zwischen Fakten und Gerüchten sind spätestens seit Mittwochabend fließend. 96-Chef Kind deutet das Münchener Torwart-Wechselspiel in Barcelona so, wie es die meisten Experten auch tun: „Damit ist Rensing verbrannt. Da müssen die Bayern was tun auf der Torwartposition.“ Dass Rensing heute gegen Frankfurt möglicherweise ins Tor zurückkehrt, ändert nichts daran, dass bei den Münchenern die Erkenntnis gereift zu sein scheint, mit dem Nachfolger von Oliver Kahn die großen Siege nicht feiern zu können. Belegt wird das übrigens durch Zahlen: Rensing wehrte in dieser Saison nur 59,6 Prozent aller Schüsse ab – ein indiskutabler Wert für einen Torhüter des Rekordmeisters.

Zu den Fakten gehört auch, dass Enke regelmäßig mit Walter Junghans telefoniert, dem Torwarttrainer des FC Bayern. Junghans war von 1999 bis 2001 Torwarttrainer bei Benfica Lissabon; der Torhüter der Portugiesen hieß zu dieser Zeit Robert Enke. Enkes Berater ist Jörg Neblung, der einen weiteren Torwartklienten hat: Jörg Butt, der Mann, für den Rensing in Barcelona aus dem Tor musste, der aber ganz sicher keine Ambitionen hat, bei den Bayern die Nummer 1 zu werden.

Tatsache ist auch, dass Oliver Kahn, bis Sommer 2008 Torhüter der Bayern, dem Kollegen Enke vor ein paar Wochen mit Blick auf dessen Zukunft in der Nationalelf zu einem Vereinswechsel geraten hat. Zufall, oder wusste Kahn damals mehr? Spätestens hier fangen die Gerüchte an, die so weit gehen, dass zwischen Enke und den Bayern längst alles klar sein soll. Ist das Unfug oder Wahrheit? Diejenigen, die es wissen müssen, halten sich mit Äußerungen zurück, was auch damit zusammenhängt, dass in der derzeit für beide Klubs heiklen Situation keiner einen Nebenschauplatz aufmachen möchte.

Die Bayern stehen vor der für sie größten aller Katastrophen, nämlich einer Saison ohne Titel; Trainer Jürgen Klinsmann muss befürchten, entlassen zu werden. 96 hat das Schreckgespenst 2. Liga vor Augen, genau wie in München gibt es in Hannover eine Trainerdiskussion, die vor dem heutigen Spiel gegen Hertha BSC wie stets nach Auswärtspleiten an Fahrt aufgenommen hat. Zusätzliche Schlagzeilen kann da niemand gebrauchen. Erst recht nicht eine wie „Enke verlässt 96“.

VON HEIKO REHBERG

 

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