NIEMALSALLEIN

Fußball verbindet, Weihnachten verbindet. Wohl nie wurde dies deutlicher als in den Tagen des Weihnachtsfestes 1914. Wir wünschen Euch mit dieser wahren Geschichte aus dem ersten Weltkrieg ein gesegnetes Weihnachtsfest!

 

Ein eisiger Wintertag im Dezember 1914
Der 24. Dezember 1914 war ein eisiger Wintertag im ersten Kriegsjahr des ersten Weltkrieges. Rund um die Stadt Armentieres standen sich das XIX. Deutsche Armeekorps und die 12. Division der Britischen Armee auf einer Frontlänge von 18 km gegenüber. Zwischen den schlammigen Schützengräben fegte der Sturm über die nicht abgeernteten Felder der Bauern hinweg. Heftiger Artilleriebeschuss und starke Niederschläge hatten den fruchtbaren Boden kurz vor dem heiligen Fest in eine pockennarbige morastige Schlammwüste verwandelt, die übersät war mit Granattrichtern, Stacheldraht und leeren Munitionskisten. In den Schützengräben, nur selten mehr als einige hundert Meter voneinander entfernt, stand das Wasser knöcheltief. Es regnete unaufhörlich, und Schlaf fanden die meisten Soldaten nur in provisorischen und feuchten Unterständen, immer auf einen Sturmangriff vorbereitet.

Am Heiligen Abend macht der Krieg Pause
Doch am Heiligen Abend 1914 schien es, als ob der Krieg Pause machen wollte. Nur gelegentliche Karabinerschüsse oder das Knattern eines Maschinengewehrs störte die Stille zwischen den Fronten, an denen auf deutscher Seite auch der Hamburger Oberleutnant Johannes Niemann vor sich hin fror. Gegen Abend wurde die Ruhe über den Stellungen immer unheimlicher. Nur aus der Ferne klang noch gelegentlich leiser Gefechtsdonner herüber. Fast lustlos kramten die deutschen Soldaten in den Geschenkpaketen, die mit der im ersten Kriegsjahr noch reibungslos funktionierenden Feldpost bis in die vordesten Reihen gelangt waren. Sogar kleine Tannenbäume und Kerzen hatte der kaiserliche Nachschub zum Weihnachtsfest besorgt. Wie zum Trotz stellten die Landser die geschmückten Bäumchen, Symbole für Liebe und Verständigung, auf die Balustraden ihrer Schützengräben. Die flackernden Kerzen erhellten gespenstisch das blutdurchtränkte Niemandsland, in dem nur einige Tierkadaver unstete Schatten warfen.

Weihnachtslieder erklingen auf dem Schlachtfeld
Langsam kam unter den frierenden Männern in den Schlammgräben eine festliche Stimmung auf und so manche Träne rollte bei dem Gedanken an die Lieben in der Heimat über die unrasierten Wangen. Doch jäh wurde die friedliche Atmosphäre durch ohrenbetäubendes Gewehrfeuer zerrissen. Die Briten hielten die brennenden Christbäume für eine neue Geheimwaffe der Deutschen und schossen wahllos auf die Lichterkette. Es schien, als ob die weihnachtliche Stimmung zerstört und die grausame Realität des Krieges wieder Einzug in die Schützengräben gehalten hatte. Bis dann kaum hörbar aus einer der deutschen Stellungen ein Weihnachtslied erklang. Nach und nach stimmten immer mehr Infanteristen in den Gesang mit ein, und bald übertönten die Klänge von "Stille Nacht, heilige Nacht" das Geräusch des Windes. "Und so kam es", erinnert sich der Offizier Johannes Niemann vom 9. Königlich-Sächsischen Infanterieregiment Nr. 133, "dass sich der Krieg in die beschauliche Form eines Sängerwettstreites verwandelte und sich der kriegerische Geist hüben wie drüben in Weihnachtsstimmung verlor."

Das Fußball-Spiel verbindet
Auch am nächsten Morgen schien der Krieg in brüderlicher Seligkeit zu versinken. Als sich die letzten Morgennebel über den in der Nacht durch den Frost erstarrten Boden hoben, trauten die britischen Posten ihren Augen nicht. Durch ihre Scherenfernrohre konnten sie erkennen, wie einige sächsische Soldaten aus ihren Gräben kletterten und mit in den Taschen vergrabenen Händen auf die feindlichen Linien zuschlenderten. Ganz so, als befände man sich nicht an der in diesen Wintermonaten besonders heftig umkämpften Westfront, sondern auf Berlins Prachtstrasse "Unter den Linden". "Und dann hatten wir die Weihnachtsbescherung", schrieb Oberleutnant Niemann in sein persönliches Feldtagebuch. "Gegen Mittag kam Seiss, meine Ordonanz, in den Unterstand gestürzt und meldete, dass draußen zwischen den Gräben Freund und Feind zusammenlaufe." Der verstörte Bursche des Herrn Oberleutnant hatte eher untertrieben, denn was an diesem ersten Weihnachtstag auf dem französischen Kohlacker stattfand, galt unter den ehrenhaften Kriegsberichterstattern als soldatenunwürdige Fraternisation mit dem Feind. Die Kämpfer zwischen den Fronten dachten an diesem Tage nicht an Kriegsberichterstattung und schon gar nicht an die Nachwelt - sie folgten im Gegensatz zu aller militärischen Ausbildung für eine kurze Zeit den Befehlen ihres Herzens. Und so trafen sich auf dem heiß umkämpften hartgefrorenen Niemandsland irgendwo in Frankreich Männer zweier Nationen, erfüllt mit weihnachtlich-friedlichen Gedanken und nur von dem Wunsch beseelt, diese Stimmung mit anderen zu teilen. Dann geschah etwas, was in keinem Geschichtsbuch nachzulesen ist, kein Kriegstagebuch enthält und bisher auch nicht in den Geschichtskapiteln des Fußballs zu lesen ist. "Plötzlich brachte ein Schotte einen Fußball an, und es entwickelte sich ein regelrechtes Fußballspiel mit hingelegten Mützen als Toren", schreibt Johannes Niemann in seinen Erinnerungen. "Zwar erreichte so manche Flanke nicht ihr Ziel, denn der hartgefrorene Acker ließ ein richtiges Spiel eigentlich nicht zu. Aber alle Akteure und auch die Zuschauer waren erfüllt von friedlicher sportlicher Gemeinsamkeit. Einer von uns hatte einen Fotoapparat bei sich. Da ordneten sich schnell die beiderseitigen Fußballer zu einer Gruppe, immer hübsch bunte Reihe, der Fussball in der Mitte..."

Schotten ohne Unterhosen
Der 1979 in Hamburg verstorbene Niemann beschrieb eine amüsante Szene in seinen Erinnerungen so sorgfältig, dass sie auf ihn wohl einen großen Eindruck gemacht haben muss: "Bei diesem Fußballspiel hatten unsere Landser unter großem Hallo bald entdeckt, dass die Schotten unter ihrem Rock keine Unterhosen trugen, so dass das blanke Hinterteil deutlich sichtbar wurde, sobald der Rock ins Flattern kam. Das ergötzte uns sehr, und wir wollten es anfangs gar nicht glauben, bis wir darüber belehrt wurden."

Das Ergebnis: Uninteressant
Bei so viel friedlicher Festtagsstimmung hatte dann auch das Ergebnis nur statistischen Wert. Das Match endete mit 3:2 Toren für die deutschen Frontsoldaten. Auch Ernest Williams, ein braver britischer Soldat aus dem Frontabschnitt von Armentieres hält die Erinnerung an jene vergangenen ungewöhnlichen Weihnachten 1914 wach: "Ich erinnere mich noch genau, dass wir uns die Bilder unserer Lieben daheim zeigten - als ein Fußball ins Niemandsland geflogen kam. Blitzschnell organisierten wir ein Fußballmatch. Als Torpfosten dienten unsere wollenen Balacalva-Hüte und die Mützen der Deutschen. Es gab keinen Referee und das Spiel erinnerte mich sehr an den typischen Straßenfußball in meiner Heimatstadt Spockport - total unorganisiert, aber alle Teilnehmer waren mit Leib und Seele dabei."

Drei Wochen nach diesem BBC-Fernseh-Interview starb Ernest Williams, der letzte noch lebende Augenzeuge der christlichsten Weihnacht, die es in einem Krieg je gegeben hat und die auch mit Hilfe des Fußballspiels verbitterte Gegner in der heiligen Zeit der Geburt Christi zu Menschen und Brüdern werden ließ.

Gesegnete Weihnachten!

 

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