"Was sind die fünf Kernkompetenzen?"
"Jeder, der von sich behauptet, er weiß, welcher 13- oder 14-Jährige es am Ende wird, ist für mich nicht seriös", erklärt Jan-Moritz Lichte – und fügt an: "Auf dem Weg zum Fußballprofi gibt es noch so viele Aufgaben, Entwicklungen und so viel, was im Kopf entscheidet – und das ist in dem Alter alles noch nicht wirklich absehbar." Gerade im jungen Altersbereich ist das Thema Scouting ein ganz schwieriges. Bei Hannover 96 wird aktuell ein ganzheitlicher Ansatz implementiert und verfolgt, wenn es darum geht, Potenziale einzuschätzen und Spieler für die einzelnen Jahrgänge auszuwählen: "Wir machen uns natürlich viele Gedanken darüber, was entscheidend ist, wenn wir Spieler gerade in jungem Alter holen. Was sind vielleicht die fünf Kernkompetenzen, auf die wir achten sollten?".
Ziel sei, von Jahrgang zu Jahrgang möglichst wenig Spieler austauschen zu müssen. Zweierlei Aspekte sind dafür erfolgskritisch: Einerseits müsse die Ausbildung so strukturiert sein, dass sich die Jungs eben stetig verbessern und gut entwickeln. Der andere Aspekt sei eben die Auswahl der "richtigen Jungs" – fußballerisch und mental.
Gespräch mit jedem potenziellen Kandidaten
Bei dieser Auswahl kommen Scouting-Einschätzungen zusammen mit Einschätzungen der Trainer in den jeweiligen Jahrgangsstufen. Mit jedem Spieler, der für einen Platz in der Akademie infrage kommt, soll zudem immer ein Gespräch stattfinden. "Darin ist es wichtig, noch einmal klarzumachen: Wofür stehen wir? Was erwarten wir? Was ist uns wichtig? Was bieten wir? Um dann eine bewusste Entscheidung eines Spielers herbeizuführen", führt der Nachwuchsleiter aus. "Es kann ja sein, dass jemand sagt: 'Nee, das ist nicht mein Weg' – und dann soll er es bitte auch nicht sein. Da muss man offen und ehrlich sein. Das ist für mich dann auch völlig okay, weil wir davon überzeugt sind, dass wir momentan einen guten Ansatz verfolgen und den jetzt versuchen, hier konsequent zu implementieren. Da muss jeder mitziehen." In den älteren Jahrgängen übernimmt Lichte diese Gespräche selbst, für die U10 bis zur U14 gibt es mit Johannes Plecksnies eine zentrale Koordinationsstelle.
Verträge ab U16 möglich
In den letzten Jahren kam es immer wieder vor, dass junge Spieler mit Potenzial im Alter von 14 oder 15 Jahren von anderen Leistungszentren abgeworben wurden. "Das hängt damit zusammen, dass man als Verein einem Spieler ab der U16 einen Vertrag geben kann", macht der Akademie-Chef deutlich. Davor nutzen Klubs die Möglichkeit, Spieler mit geringeren Hürden für sich zu gewinnen. "Dann kann es eben dazu kommen, dass ein 14-Jähriger eine Stunde zum Training in eine andere Stadt fährt, anstatt vor Ort ausgebildet zu werden. Im Endeffekt entscheiden die Eltern, weil sie die Verantwortung für ihr Kind tragen."
"Wollen uns mit unserem Weg und unseren Inhalten absetzen"
Diese Entscheidung will Lichte natürlich mit aller Kraft in Richtung 96 lenken – mit sachlichen Argumenten und harter Arbeit: "Für einen Wechsel in ein anderes NLZ darf es keine Argumente geben - ausgenommen finanzielle Aspekte, bei denen wir am Ende mit einigen anderen NLZs nicht mithalten können. Wir wollen aber verdeutlichen, dass wir in der fußballerischen und menschlichen Entwicklung der Spieler auf keinen Fall schlechter sein werden als die anderen NLZs und uns am Ende mit unserem Weg und unseren Inhalten sogar absetzen werden. Die Eltern und Spieler müssen wissen und darauf vertrauen, dass wir eine richtig gute Option sind und man bei uns die Möglichkeit bekommt, bestmöglich ausgebildet zu werden."
hec