NIEMALSALLEIN

 

96 bleibt erstklassig, und ganz Hannover feiert. Ganz Hannover? Der eigentliche Stargast einer wilden Stadtparty feiert 600 Kilometer weiter östlich im tschechischen Liberec eine Privatfeier mit seiner Freundin. Typisch Jiri Stajner. Privat genauso unberechenbar wie auf dem Platz. Am 17. Mai 2003 log Stajner das wichtigste der bisher tausend 96-Bundesligatore in der Nachspielzeit zum 2:2 gegen Gladbach ins Netz. "Ein Gurkenschuss", bemerkt 96-Chef Martin Kind heute im Rückblick. Eine Gurke, die Gold wert war. 96 hätte den Abstieg wahrscheinlich nicht verkraftet.

Kind wollte vor sechs Jahren nicht mitfeiern, ähnlich wie Stajner, aber aus anderen Gründen. "Es war eine Gratwanderung, aber wir sind nicht abgestürzt", erklärte Kind nach dem Spiel etwas mitgenommen. Um 17.17 Uhr war 96 gerettet. Die Verpflichtung von Stajner war kostspielig gewesen: 3,3 Millionen Euro, damals der teuerste Transfer der 96-Geschichte. "Er hat zumindest Teile seiner Ablöse zurückgezahlt", meinte der kühle Rechner Kind ironisch. Überhaupt die Ironie: Das Spiel gegen Gladbach war voll davon. 96 begann ja auch recht launisch, Nebojsa Krupnikovic zirkelte einen Freistoß ins Tor (19. Minute). Die Rettung war zum Greifen nah, doch nach der Pause ließ 96 plötzlich die Sache laufen. Mikael Forssell, eine Woche später als Gladbacher Retter gefeiert, köpfte das 1:1 (62.), Sladan Asanin erhöhte auf 2:1 für Gladbach (66.). 96 stand plötzlich vor dem Abgrund, eine Woche später in Bielefeld – so fürchteten alle – würden die Nerven blankliegen und die Mannschaft versagen.

Torwart Gerhard Tremmel fands nicht witzig, auch dann noch nicht, als 96 bereits gerettet war. Er schimpfte damals: "Ich fand es scheiße, dass wir nach dem 1:0 nichts mehr gemacht haben. Das entspricht dem Charakter der Mannschaft, viel zu überheblich, viel zu hochnäsig." Fans pfiffen, 96 schlug planlos alles nach vorn, nichts passte zusammen. In der Nachspielzeit packte Gladbachs Torwart Jörg Stiel zu. Er hielt den Ball fest. Das wars. Gladbach drin, 96 so gut wie draußen. Die Teambetreuer der Borussia warteten partydurstig mit ostfriesischem Bier des Hauptsponsors auf den Abpfiff von Schiri Manfred Krug. Aber er pfiff nicht. Noch nicht. Stiel musste abschlagen. Tremmel jagte den Ball aus dem Feld blind zurück in den Gladbacher Strafraum. Kostas Konstantinidis stocherte herum. Stajner stellte zwei Meter entfernt vom rechten Fünfmeterraumeck seinen Fuß in den Weg – und der Ball hoppelte in die lange Ecke an Stiel vorbei ins Tor. Ralf Rangnick wars wurscht, er stufte den Klassenerhalt noch höher ein als den Aufstieg. Und Stajner? Ist 96-Kultstürmer und hat ein paar Haare eingebüßt seitdem. Er spricht auch nicht mehr über seine größte Heldentat für 96. Lange her, oft genug erzählt, will nicht. Punkt. Von der Party hätte er auch nichts erzählen können. Vor sechs Jahren feierte 96 ohne ihn den Klassenerhalt in der Szene-Bar Zino: "Nie mehr zweite Liga." Stajner nicht. Keine Lust. Er raste lieber über die A 14 nach Liberec. Aus diesem Stoff sind echte Kultstürmer geschnitzt.

 

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