NIEMALSALLEIN

Hannover. Wenigstens das ist jetzt zweifelsfrei bewiesen. Die „Roten“ wissen, wo im eigenen Stadion das Tor steht. Nicht das, wo der Ball rein soll. Sondern das, das sie sonst fast immer nur durch verdunkelte Autofenster sehen, wenn sie bei 96 auf den Hof und wieder heimwärts fahren. Dort nämlich hatten sich nach dem Spiel vielleicht an die 150 Anhänger versammelt.

 

 Sie wollten das 1:4 gegen den 1. FC Köln, diesen unerträglichen neuerlichen Rückschlag im Abstiegskampf, nicht mit der gleichen wortschwallig-nichtssagenden Routine abtun, wie es die Mannschaft seit Wochen immer wieder zeigt. Diese laute Schar von Raubeinen also machte sich vor dem Tor breit – unbeeindruckt von der Begleitung durch berittene Polizei – und forderte Erklärung von den Profis. Erst kam Sportdirektor Jörg Schmadtke als Emissär. Dann dauerte es eine Weile, und es erschien die komplette Mannschaft, samt den Verletzten und ihrem Trainer- und Betreuerstab. Wohlgemerkt, draußen vor dem Zaun. Dichter ran an den Mann, als sie es zuletzt auf dem Fußballplatz gezeigt haben. Aber was hätten die Profis schon groß erklären können nach diesem Auftritt gegen den Klub aus Köln, den sie eigentlich in den Abstiegsstrudel hineinziehen wollten, um sich selbst daraus zu retten? Was zu sehen war, sprach doch für sich. Nach 1:15 Minuten brandete erstmalig Applaus im mit 43?218 Zuschauern besetzten Stadion (was für ein Treuebeweis der Anhängerschaft!) auf, weil die Stadionanzeige verkündete: Werder Bremen hilft und bremst den Nürnberger Abstiegskonkurrenten aus. Das ist ein Ding: Per Mertesacker im Werder-Trikot ist der beste 96er des ganzen Fußballnachmittags. Aber was machen die Hannoveraner aus der Vorlage? Nichts. Zoran Tosic trifft doppelt (12. und 71. Minute) und umkurvt dabei 96-Verteidiger wie Maria Riesch die Slalomstangen. Emanuel Petit dürfte sich im 96-Strafraum regelrecht einsam gefühlt haben, als er sich zu seinem Treffer aufmachte (21.). Milivoje Novakovic musste auch keine Gegenwehr fürchten: Hanno Balitsch – später nach einem Foul mit Gelb-Rot bestraft und erstmalig in seiner Profikarriere vom Platz geflogen – hatte ihm mit einem Blackout-Handspiel den freien Schuss vom Elfmeterpunkt geschenkt (28.). Dass Steve Cherundolo später noch mit einem sehenswerten 17-Meter-Freistoß ins Tor (81.) das Ergebnis korrigierte, konnte indes die Stimmung nicht mehr richten. Nach dem zweiten Gegentreffer hatten schon Zuschauer in Scharen aufgegeben und das Stadion verlassen – im festen Glauben, die Mannschaft verdiene keine Unterstützung mehr. Hatten die Spieler nicht schon aufgegeben, bevor sie überhaupt ins Stadion gekommen waren? Es waren allen voran Arnold Bruggink, Leon Andreasen und Florian Fromlowitz und noch lange nach allen anderen der Gelb-Rot-Sünder Balitsch, die den Zorn am Zaun abbekamen. „Arsch aufreißen!“ – „Was macht der ,Stajni? denn die ganze Woche im Training?“ – „Euch doch scheißegal, wir steigen ab und ihr seid dann weg!“ Solchen und ähnlichen Vorwürfen begegneten die Sprachrohre der „Roten“ besonnen. Und schließlich löste sich, was ohnehin eher eine hingebungsvolle Rüpelei als echte Randale sein sollte, schließlich in Applaus und „HSV! HSV!“-Sprechchören auf. Trügerische Einhelligkeit! Ein Bonbon für 150 Schreihälse haben die „Roten“ verteilt. Aber Tausende, wenn nicht Zehntausende haben sie mit diesem Spiel verbittert. Und einen Riesenschritt in Richtung Zweitklassigkeit gemacht – weil der SC Freiburg gestern punktete und 96 auf den 17. Tabellenrang verdrängte. Slomka bekräftigte dazu gestern noch einmal bewusst, womit er sich am Sonnabend vielleicht noch im Affekt vom Team distanziert hatte: „Der Auftritt der Mannschaft war beschämend und unverschämt. Die Mannschaft hat uns und die Führungsebene im Stich gelassen, die hier Geld reingesteckt hat. Es ist fast schon beängstigend, dass das Team gar nichts zurückgibt“, sagte der Trainer, der auf Nachfrage seinen eigenen Rücktritt angesichts der sportlichen Entwicklung kategorisch ausschloss: „Fakt ist, dass ich mich zu 100 Prozent mit dem Klub und den Fans hier identifiziere. Es gibt keinen Gedanken, sie im Stich zu lassen.“ Also weiter so? Nicht ganz. Jetzt soll ein spontanes Trainingslager zugleich Straf- und Aufbauarbeit sein. Von Dienstag bis zum Spiel beim Hamburger SV am Sonntag wird es wohl in einem Sporthotel am Deister um eine Art finales Facelifting gehen: „Da wollen wir die 18 Leute finden, die dann für uns durchs Feuer gehen“, sagte Slomka. Ohne den gesperrten Balitsch und die vielen Verletzten dürfte der Trainer diese 18 nur zusammenbekommen, wenn er das eine oder andere neue Gesicht aus einer Nachwuchsriege präsentiert.

 

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