Erol, der "Underdog"
Rund um die Mittagszeit am Ostersamstag füllt sich die Location, die sich im Ursprung mit den großen Historien des deutschen Fußballs befasst und an diesem Wochenende dem digitalen Zeitalter die Tore öffnet. Vor der Auftaktpartie gegen den gefürchteten eSport-Profi Tim Katnawatos verraten schweißnasse Hände die emotionale Lage unseres 96-Vertreters. Trotz der enormen Anspannung wirkt Erol vor Turnierstart hochkonzentriert und versucht, sich selber den Druck zu nehmen: "Als Underdog bin ich nicht in der Favoritenrolle und habe keinen großen Rucksack auf." Die schwere Last liegt da eher auf anderen Spielern wie dem ersten Kontrahenten Tim Katnawatos, der zwar für RB Leipzig antritt, aber sein Geld als eSport-Profi beim Schweizer Klub FC Basel verdient. Ein gelungener Start in ein eSports-Turnier ist immer von immenser Bedeutung, denn am Ende des Tages sind die mentalen Fähigkeiten mitentscheidend für den Turnierverlauf.
Der undankbare Turnierverlauf
Und dann kam das: Lange Führung und der 3:3-Ausgleich in der Nachspielzeit – sowohl auf echtem als auch auf virtuellem Grün eine gefühlte Niederlage. Ein emotionaler Albtraum. Keiner der 24 eSportler muss so bitter in das Turnier starten wie Erol - gegen den Mann mit dem Gamertag "TheStrxngeR", einen der Topfavoriten. Mentale Erholungsphasen gibt es in der sechsköpfigen Gruppenphase nicht. Es geht Schlag auf Schlag, Match um Match im mittlerweile prallgefüllten Museum, damit die K.o.-Begegnungen zum realen Bundesliga-Anpfiff feststehen. Die nächste Herausforderung ist der eher unbekannte Axel Waldmannstetter mit der Bremer Raute auf der Brust, aber gedanklich ist Erol noch in der Nachspielzeit seiner vorangegangenen Partie. Spielerisch sind die virtuellen Kicker im Hannover-Trikot zwar besser, aber auf dem hohen FIFA-Niveau wird eben auch jeder kleinste Schnitzer eiskalt bestraft. Am Ende gewinnt Axel Waldmannstetter mit 4:2.
"War mit meinem Spiel komplett zufrieden"
In keinem seiner Gruppenspiele ist Erol dem Gegner unterlegen, aber die Abgezocktheit der teilweise gestandenen eSport-Profis macht unserem Newcomer im 96-Dress schwer zu schaffen und zieht sich wie ein roter Faden durch sein Turnier. "Ich war mit meinem Spiel komplett zufrieden", resümiert auch Erol sein Auftreten bei der VBL. "Ich habe nur ein, zwei kleine Fehler gemacht, aber auf dem hohen Niveau wird das sofort bestraft." Das wissen auch der Europameister von 2017 Cihan Yasarlar und der ehemalige VBL-Champion Daniel Butenko, die jeden Fehler des Gegners für sich zu nutzen wissen und Erol am Ende 2:1 und 4:2 schlagen. Nach nur einem Punkt aus den ersten vier Begegnungen ist die letzte Partie gegen Christoph Geule vom FC Augsburg aus tabellarischer Sicht bedeutungslos. Erol setzt aus diesem Grund nicht alles, aber vieles auf eine Karte, um wenigstens mit einem Erfolgserlebnis aus dem Turnier auszuscheiden. Und wiederholt muss sich der eSportler im Hannover-Trikot äußerst knapp geschlagen geben: 3:4.
"Das Ausscheiden ist sehr niederschmetternd"
Dass der Kopf nach einem unglücklichen Turnierverlauf mit guten Leistungen in der vermeintlichen Favoritengruppe erst einmal hängt, dürfte mehr als verständlich sein. "Das Ausscheiden ist sehr niederschmetternd. Die Ergebnisse haben meine Leistung nicht wiedergespiegelt", kommentiert unser VBL-Vertreter sein Endresultat - jeder individuelle Fehler könne das Spiel entscheiden. Ruhe und Besonnenheit zeichnen den jungen eSportler unserer Roten sonst aus, aber bei Sport1-Liveübertragungen, den bekanntesten FIFA-Gesichtern und 45.000 Euro Preisgeldausschüttung sind Nervosität, Anspannung und Druck natürlich gefährliche Mitspieler der mentalen Tagesform. Neben dem Preisgeld erhalten alle Halbfinalisten an diesem Tag ein Ticket für die Playoffs zur FIFA-Weltmeisterschaft - Erol gehört leider nicht dazu.
Die Qualifikation für die globale FIFA-Meisterschaft ist auch noch über andere Wege zu erreichen, denn die WM ist Erols größter Traum. "Mein Ziel ist die Qualifikation für die Weltmeisterschaft", schwärmt der 96-eSportler vom ganz Großen und verspricht, "an meinem Spiel zu arbeiten und härter zu trainieren".
Katnawatos wird Meister
Im "Grand Final" am Ostersonntag setzt sich dann übrigens kein Geringerer als Tim "TheStrxngeR" Katnawatos durch. Ob der Turnierstart mit der entscheidenden Szene in der Nachspielzeit für mentale Sicherheit beim Profi gesorgt hat? Insgesamt ist das frühe Ausscheiden für Erol und Hannover 96 zwar schade, aber das Turnier hat gezeigt: Der "Underdog" ist auf einem sehr guten Weg und mit der eSport-Elite spielerisch auf Augenhöhe. Wir wünschen Erol für die nächste Zeit viel Erfolg und drücken die Daumen für die Qualifikation für den FIFA eWorld Cup 2018!
cvm