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Markus Miller, der Pendler

Von 2010 bis 2015 stand Markus Miller bei den Roten unter Vertrag, kam aber kein einziges Mal in der Bundesliga zum Einsatz. Warum er trotzdem eine schöne Zeit in Hannover hatte, und worauf er heute bei der Torhüterausbildung in Wolfsburg besonders achtet, verrät der 36-Jährige in Teil 13 unserer Serie "Was macht eigentlich ...?".

/ Profis
"Ich habe durchweg gute Erinnerungen an 96": Markus Miller.

Karriereende im Sommer 2015
Am Ende war es der Körper, der die Entscheidung traf, nicht der Kopf. Markus Miller stand vor der Frage, ob er noch ein Jahr dranhängen sollte bei Hannover 96. Monatelang hatte er sich nach einer Knieverletzung durch die Reha gequält, und nun, kurz vor der Rückkehr auf den Trainingsplatz, schmerzte plötzlich der Blinddarm. Miller musste operiert werden, fiel erneut einige Wochen aus. Ehe er sich versah, war die Saison vorbei und die letzte Chance vertan, sich für einen neuen Vertrag zu empfehlen. Also machte Miller Schluss. Mit 33 Jahren.

Das war vor knapp vier Jahren, und heute ist Markus Miller froh, dass die Dinge damals so gelaufen sind, wie sie gelaufen sind. "Es ist gut, dass ich nach der Blinddarm-OP einen Schlussstrich ziehen musste, obwohl ich gerne weitergespielt hätte", sagt Miller im Gespräch mit hannover96.de. "Ich glaube, wenn ich noch ein Jahr drangehängt hätte, wäre mein Knie jetzt richtig kaputt." Und dann wäre er jetzt vielleicht nicht in der Lage, das zu machen, was er macht.

Torwarttrainer in Wolfsburg
Markus Miller ist dem Profifußball nämlich erhalten geblieben. Er ist jetzt Torwarttrainer in der Akademie des VfL Wolfsburg, dem nächsten Gegner der Roten in der Fußball-Bundesliga (Samstag, 15.30 Uhr, Liveticker auf hannover96.de). Miller, der ehemalige Bundesligatorhüter (184 Spiele in der ersten und zweiten Liga), bildet jetzt also die Bundesligatorhüter von morgen aus. "Ein toller Job bei tollen Bedingungen an einem tollen Standort", sagt Miller. Mit einer kleinen Einschränkung: "Die ständige Fahrerei, die nervt."

Denn Miller wohnt nicht in Wolfsburg. Er wohnt in Hannover, zusammen mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Vor fast sechs Jahren haben sie in der Landeshauptstadt ein Haus gekauft. "Wir fühlen uns alle sehr wohl in der Stadt, haben hier unsere Freunde", sagt Miller. Deshalb pendelt er nun sechs Tage die Woche. Dazu kommen Fahrten zu den Spielen der Wolfsburger Nachwuchsmannschaften und gelegentliche Talentsichtungen, wie zuletzt in Süddeutschland. Knapp 5000 Kilometer, sagt Miller, lege er jeden Monat mit dem Auto zurück. "Das ist ein ziemlicher Aufwand für mich, aber eine Erleichterung für meine Familie."

Vorbildlicher Ersatztorwart
Miller stellt da das Gemeinwohl über seine Einzelinteressen. So war er schon als Profi. Fünf Jahre lang stand er bei den Roten unter Vertrag, von 2010 bis 2015, ohne ein einziges Bundesligaspiel zu bestreiten. Dennoch sorgte Miller nie für Ärger. "Natürlich hätte ich gern für 96 in der Bundesliga gespielt", sagt er, "aber ich hatte ja nicht irgendeinen Hans Franz vor mir." Sondern einen gewissen Ron-Robert Zieler, der damals mit Anfang 20 für Furore sorgte und es dank starker Leistungen bis in die Nationalmannschaft schaffte. "Der Junge war einfach gut", sagt Miller, "und er war zäh. Ron-Robert war nie verletzt."

Miller hatte also zwei Optionen: "Entweder, ich ärgere mich, mache öffentlich Stunk und bin nach ein, zwei Jahren wieder weg. Oder ich nehme die Rolle der Nummer zwei an, versuche, zum Erfolg der Mannschaft beizutragen, und stehe bereit, wenn ich gebraucht werde." Miller entschied sich für Letzteres.

Einsatz in der Europa League
Vielleicht auch, weil er irgendwann erkannt hatte, dass es Wichtigeres gab im Leben als den Posten zwischen den Pfosten. Gesundheit zum Beispiel. Im September 2011, zu Beginn seiner zweiten Saison in Hannover, hatte sich Miller auf Grund einer mentalen Erschöpfung stationär behandeln lassen - und dieses auch öffentlich gemacht. Drei Monate später feierte der gebürtige Allgäuer sein Comeback - und durfte im Europa-League-Spiel gegen Worskla Poltawa (3:1) sogar von Beginn an ran. "Dieses Spiel werde ich nie vergessen", sagt Miller, "ich habe mal im Europapokal gespielt, das kann mir keiner mehr nehmen." Es sollte jedoch Millers einziges Pflichtspiel im Trikot der Roten bleiben.

Nach dem Karriereende im Sommer 2015 blieb Miller dann zunächst bei den Roten. Er absolvierte ein Praktikum in der Akademie, coachte dort die Nachwuchskeeper. Parallel absolvierte Miller eine Ausbildung zum Sportmentaltrainer - weil er die Erfahrungen, die er als Aktiver gemacht hatte, mit dem entsprechenden Fachwissen weitergeben wollte. 2016 übernahm er zudem den Posten des U15-Torwarttrainers beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Marc Ziegler, ein früherer 96er und ehemaliger Mannschaftskollege von Miller beim VfB Stuttgart, hatte ihn zum Verband gelotst.

"Eine ziemliche Belastung, vor allem für den Kopf"
Nach der erfolgreichen Ausbildung zum Sportmentaltrainer zog es Miller dann im Oktober 2016 nach Wolfsburg. Der VfL hatte ihm ein Angebot gemacht, und Miller, der zuvor vergeblich auf eine Anstellung bei 96 gehofft hatte, sagte sofort zu. Seitdem kümmert er sich um die Torwarttalente in der VfL-Akademie - nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. Denn Miller legt viel Wert auf Mentalarbeit. "Da wird im Profifußball immer noch zu wenig drauf geachtet", findet Miller. "Die Jungs stehen heute viel mehr unter Druck. Schule, Training, Einfluss von Eltern, Trainern, Beratern und Sponsoren - das ist eine ziemlich Belastung, auch und vor allem für den Kopf."

Zu Beginn seiner Karriere, sagt Miller, sei das überhaupt kein Thema im Training gewesen. Das will er ändern. "Ich versuche, ein Gespür dafür zu entwickeln, wie es den Jungs geht", sagt Miller. "Sagen wir, einer meiner Jungs hat eine Fünf in Mathe geschrieben, oder die Freundin hat ihn verlassen: Dann kann ich doch nicht einfach das normale Programm abspulen. Ich muss da individuell reagieren. Der eine braucht vielleicht ein paar leichte Bälle, um sich ein Erfolgserlebnis abzuholen. Der andere will lieber richtig Gas geben. Darauf muss ich achten, das ist meine Aufgabe." Und die, versichert Markus Miller, mache ihm richtig Spaß. Trotz der ständigen Fahrerei.
hop

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