"Willste schießen?"
Zum Pokalhelden war Sievers bereits vorher im Halbfinale geworden gegen Titelverteidiger Werder Bremen. Erst verwandelte er im Elfmeterschießen selbst zum 5:4, dann hielt er gegen Bremens Marco Bode - Hannover 96 stand im Finale und Sievers erzählte einige Jahre später die wunderbare Geschichte, warum er plötzlich selbst als Torwart am Elfmeterpunkt stand. "Man kann sich heute gar nicht vorstellen, dass mitten im Elfmeterschießen der Trainer auf den Platz rennt", sagte Sievers. "Ich dachte: Dass ich einen halten muss, weiß ich selber. Michael Lorkowksi aber fragte: 'Willste schießen?'" Ob er wollte oder ihm nicht viel übrig blieb, wurde nie ganz geklärt. Aber Sievers nahm all seinen Mut zusammen und traf. Als er später einmal bei der Fußballschule in Heeßel von einem Siebenjährigen gefragt wurde, was das für ein Gefühl sei, als Torhüter selbst einen Elfmeter zu schießen, antwortete er: "Da wird so ein Tor auf einmal ganz schön klein."
Der junge Jörg war Bayern-Fan
Sievers war nie einer, der in den Vordergrund gedrängt ist, ein ruhiger, bodenständiger Typ mit Humor, der sich zum Beispiel wegen seines berühmten Patzers im Regionalliga-Derby gegen Arminia Hannover, der zur 3:4-Niederlage führte, noch Jahre später selbst auf die Schippe nehmen konnte. Sievers hat lieber ein Wort weniger als zu viel erzählt. Und er hat schon mal auf einen Urlaubstag verzichtet, um Jungen und Mädchen ein paar Tricks beim Torwartspiel zu zeigen. Bei solchen Gelegenheiten gewann er viele Sympathien und sorgte für staunende Gesichter, wenn er auf die Frage "Lieblingsverein außer 96?" mit "Bayern München" antwortete. Wie alle Jungen seines Jahrgangs hatte Sievers' Leidenschaft für den Fußball in einer Zeit begonnen, in der die Bayern und Borussia Mönchengladbach die Bundesliga dominierten. "In dem Dorf, aus dem ich komme, gab es einen, den ich nicht mochte", erzählte Sievers. "Der war Gladbach-Fan. Deshalb war ich für Bayern."
Torjäger in Bredenbeck
Was viele nicht wissen: Aus dem Torwart Sievers ist im hohen Fußballalter noch ein erfolgreicher Torjäger geworden – in der 1. Kreisklasse als offensiver Feldspieler im 7er-Team der Ü40 der SG Bredenbeck. Wenn er später mal ein Buch schreiben würde, bekäme der Seniorenfußball sicherlich ein kleines Kapitel, denn auch dort hat Sievers schon einiges erlebt: Vom Gegenspieler, der – wenn er die 96-Legende erkennt – nach dem Abpfiff um ein Autogramm bittet, bis zum Verteidiger, der besonderen Ehrgeiz entwickelt, um einen Torerfolg des prominenten Bredenbeckers zu verhindern.
Wiedersehen macht Freude
Die SG Bredenbeck wird demnächst vermutlich auf seinen Gastspieler von Heart of Midlothian aus Schottland verzichten müssen. Und die 96-Fans? Sie werden Sievers nicht vergessen und die Spiele in der Scottish Premiership etwas aufmerksamer verfolgen als bisher. Und aus der Welt ist Sievers ja auch nicht. Ryanair bedient die Fluglinie Edinburgh-Hamburg direkt, von dort ist es ein Klacks bis zu einem Besuch in Hannover.
Wir sehen uns, Colt!
hr