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"In dieser Frau steckt so viel Kraft und Stärke"

Zum Todestag von Robert Enke spricht Hannover 96 mit Autor und Journalist Marcel Friederich über sein Gespräch mit Teresa Enke – geführt im Rahmen seines Buchprojekts "Mutmacher-Menschen". Außerdem erzählt Friederich von seiner eigenen Geschichte und davon, wie er heute Menschen Mut macht, Anderssein als Stärke zu begreifen.

/ Engagement
Teresa Enke links und Marcel Friederich rechts stehen vor dem Maschsee.
"Ein herzensguter Mensch" - Marcel Friedrich traf Teresa Enke in Vorbereitung auf sein Buch. (Foto: Hannah Schrauth/Rollt.Agentur)

Von einer leitenden DFL-Funktion zum Buchautor
Am heutigen Montag, den 10. November 2025, jährt sich der Todestag von Robert Enke zum 16. Mal. Eine Person, die sich gut an den Sportler erinnert, vor allem aber den Menschen Robert Enke schätzte, ist Marcel Friederich. Begeistert hat ihn seine "grundpositive Ausstrahlung und dass er so sehr für seine Familie eingestanden ist", erzählt er.

Friederich ist Journalist und ehemaliger Leiter der externen Unternehmenskommunikation der Deutschen Fußball Liga (DFL). Heute ist er Buchautor und hat es sich in seiner neuen Funktion zur Aufgabe gemacht, Menschen in herausfordernden Lebensphasen Mut zuzusprechen – ihnen das Gefühl zu geben, dass Sie mit ihrem Schicksal nicht allein sind.

"Es rührt natürlich alles daher, dass ich mit einem schrägen Gesicht durch das Leben gehe und dass ich seit der Geburt an mit dem Möbius-Syndrom lebe", erläutert Friederich seine neue Rolle. Das Möbius-Syndrom ist eine angeborene, neurologische Erkrankung. Diese löst bei Betroffenen hauptsächlich Gesichtslähmungen, eingeschränkte Augenbewegungen sowie Gliedmaßen- und Rumpfanomalien aus. Dem Buchautor fehlen Nerven in der linken Gesichtshälfte.

Marcel Friederich im 96-Stadion mit seinem Buch in der Hand.
Zu Besuch in der Heinz von Heiden Arena: Marcel Friederich beim Heimspiel gegen Darmstadt. (Foto: 96/Redaktion)

"Wenn ich lache, dann lacht bei mir nur eine Gesichtshälfte", kann er heute voller Selbstbewusstsein sagen. Dass er sich dieses Selbstbewusstsein hart erarbeiten musste, gibt Friederich offen zu. In der Schule habe er sich „immer wieder Sprüche anhören müssen". Sein Lachen war ihm unangenehm. Die Krankheit wollte er lieber verdrängen und widmete sich infolgedessen seiner Karriere. Mit Mitte 30 kamen erste Gedanken auf: "Was ist das überhaupt für eine Behinderung, mit der ich lebe?". Friederich begann, offen über seine körperliche Behinderung zu sprechen. Berührt vom Feedback stellte er fest, "wieviel Kraft in dem Thema steckt und dass ich, wenn ich mich da engagiere, mehr der Gesellschaft dienen kann".

"Mutmacher-Menschen" Ein Herzensprojekt
Dieses gesellschaftliche Engagement bündelt sich in einem besonderen Projekt: "Mutmacher-Menschen - Schräg. Stark. Außergewöhnlich". In diesem Buch kommen Menschen zu Wort, die ihren herausfordernden Lebenssituationen mit Stärke und Mut begegnen – echte Mutmacher-Menschen eben. "Mut ist manchmal sogar ein einziges Lächeln", ordnet Friederich den Begriff für sich ein. "Morgens eine Person in der Bahn anzulächeln, während alle griesgrämig schauen – möglicherweise geht die Person dann gestärkt durch den Tag."

Eine Seite aus einem Buch, auf der ein großes Bild von Teresa Enke zu sehen ist.
Teresa Enke ist eine der "Mutmacher-Menschen" aus Friederichs Buch. (Foto: 96/Redaktion)

Ein großer Mutmacher-Mensch ist Teresa Enke. Die Vorstandsvorsitzende der Robert-Enke-Stiftung hat nach dem Suizid ihres Ehemanns eine "Tragödie zu ihrer Lebensaufgabe gemacht", findet Friederich. Die 49-Jährige hat in ihrem Leben mehrere schwere Verluste erlitten – darunter den ihres Mannes Robert Enke, ihrer kleinen Tochter Lara und ihres Bruders. Aus diesem Schmerz ist eine beeindruckende Kraft gewachsen, mit der sie heute im Rahmen der Stiftung anderen Halt gibt. Eine Frau, in der so viel "Kraft und Stärke steckt und die deshalb viele inspiriert". Teresa Enke ist eine der elf Mutmacher-Menschen im Buch des Journalisten und Autors.


Die Robert-Enke-Stiftung wurde am 15. Januar 2010 gegründet – von Hannover 96, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der DFL als Gründungsmitglieder. Sie entstand im Gedenken an Robert Enke, den früheren Torwart von Hannover 96 und der deutschen Nationalmannschaft, der sich am 10. November 2009 nach langer Depression das Leben nahm. Ziel der Stiftung ist es, über Depressionen und psychische Erkrankungen aufzuklären, Forschung und Behandlung in diesem Bereich zu fördern und Betroffene sowie Angehörige zu unterstützen. Auf Wunsch von Teresa Enke engagiert sich die Stiftung außerdem für Kinder mit Herzkrankheiten und deren Familien. Hannover 96 ist bis heute eng mit der Stiftung verbunden und bietet ihrer wichtigen Arbeit neben finanzieller Unterstützung regelmäßig eine Bühne.


Bewegendes Treffen mit Teresa Enke
"Das war einer der Termine, wo ich wirklich ein bisschen aufgeregt war", erzählt Friederich über das Treffen mit Teresa Enke, das in Vorbereitung auf sein Buch stattfand. In einer Hotellobby am Maschsee, nur unweit der Heimspielstätte von Hannover 96, trafen sie sich. "Mir schossen sofort viele Gedanken durch den Kopf. Wie das damals war, wie dieser Sarg durch das Stadion getragen wurde und was das auch für Hannover 96 sportlich bewirkt hat". Eine Aufregung, die durch die herzliche, lockere und offene Art Teresa Enkes jedoch schnell verflogen war: "Ein herzensguter Mensch".

Teresa Enke und Marcel Friedrich unterhalten sich am Maschsee.
Teresa Enke gab im Gespräch mit Friederich tiefe Einblicke. (Foto: Hannah Schrauth/Rollt.Agentur)

„Robbi (Robert Enke, Anm. d. Red.) dachte ja wirklich, er ist alleine, er ist der einzig Depressive“, erzählt die 49-jährige im Buch Mutmacher-Menschen. Sie ist sich sicher: „Hätte es damals so ein Netzwerk, so eine Aufklärungsarbeit, so ein umfassendes Wissen über die Krankheit Depressionen – gerade mit Blick auf den Leistungssport – gegeben, dann hätte Robbi sich nicht suizidiert“. Es war jedoch eine andere Zeit. Eine Zeit, in der Betroffene froh waren, wenn niemand von ihrer Erkrankung mitbekam. So dachte auch ihr Ehemann "die größte Gefahr wäre gewesen, dass irgendjemand ihn sieht, wenn er aus einer Praxis kommt".

Vom Betroffenen zum Mutmacher
Dass die Arbeit der Robert-Enke-Stiftung Früchte trägt, zeigt sich in einer schicksalhaften Fügung bei der Auswahl der Mutmacher-Menschen. Lars Reichert, ein weiterer Protagonist des Buches, erzählt in seiner persönlichen Geschichte davon: Nach dem Suizid seines Vaters begann er, sich intensiv mit dem Thema Depression auseinanderzusetzen – und stieß dabei auf die Geschichte von Robert Enke. Tief berührt nahm Reichert Kontakt zur Stiftung auf und fand dort Halt, auch durch den persönlichen Austausch mit Teresa Enke. Gemeinsam mit seinem engsten Freundes- und Familienkreis sammelte er Spenden – rund 20.000 Euro kamen so zusammen. Seine Botschaft: "Man kann unglaublich viel von Menschen lernen, die einen ähnlichen Weg bereits gegangen sind, den es für dich noch zu gehen gilt".


Als Mitbegründer der Robert-Enke-Stiftung begleitet Hannover 96 die Arbeit zur Aufklärung, Erforschung und Behandlung von Depressionen in vielerlei Hinsicht. Über die Aktion "SOCIAL KIOSK" gehen in den Jahren 2024 und 2025 bei jeder verkauften bunten Tüte 10 Cent an die Stiftung. Im Jahr 2024 konnten auf diese Weise 3.000,- Euro gesammelt und übergeben werden. Neben der Robert-Enke-Stiftung setzt sich 96 in zahlreichen Projekten für Menschen in der Region ein – etwa mit "Trinkbecher für Trinkwasser", dem #Obdachtober, dem Social Sommer- und Winterfest, Kicken gegen Vorurteile oder der MHH Kids-Arena.


Mehr Bewusstsein für das Unsichtbare
Wenn Marcel Friederich heute an Robert Enke denkt, empfindet er vor allem tiefe Faszination. "Mit dem Verlust seiner Tochter hat er eine schreckliche Tragödie erlebt und dennoch immer wieder sportliche Höchstleistungen vollbracht", sagt der 37-Jährige. Zugleich weiß Friederich: "Hinter der Fassade passiert das, was niemand sieht." Gerade deshalb misst er der Robert-Enke-Stiftung eine besondere Bedeutung bei. Bis zu Enkes Tod war das Thema mentale Gesundheit in der Öffentlichkeit kaum präsent. Die Stiftung hat es geschafft, dieses wichtige Thema dauerhaft im Bewusstsein von Sport und Gesellschaft zu verankern.

Den Sport sieht Friederich in seiner Offenheit gegenüber dem Thema mentale Gesundheit insgesamt auf einem guten Weg. Gleichzeitig stellt er fest: "Wir leben in einer Gesellschaft, in der Hass, Polarisierung und Negativismus eine Rolle spielen." Umso wichtiger sei es, dass Sportvereine ihre Reichweite nutzen, um zu sensibilisieren, aufzuklären und Betroffenen Mut zu machen.

"Ich stehe ja mit meinem schrägen Gesicht dafür. Ich weiß aber auch, dass ich allein die Welt nicht ändern kann", ordnet Friederich seine Rolle ein. Vielmehr möchte er mit seinem Projekt Anschübe liefern – für mehr Mut und Akzeptanz für das Anderssein. Denn der Autor ist sich sicher: "Wir sind alle ein Stück weit anders."
lk

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